Gelsenkirchen. Knapp ist die junge Mutter nach einem Messerattentat ihres Stalkers dem Tod entronnen. Gelsenkirchenerin erzählt, was sie jahrelang erduldete.

Schwach ist Seda (Name geändert), der Körper der jungen Mutter ist gezeichnet von 21 Messerstichen - unter anderem in den Hals, in den Arm und in die Hand. Sie liegt noch im Krankenhaus. Die Gelsenkirchenerin ist dem Tod nur um Haaresbreite entronnen: Folgen einer Attacke ihres langjährigen Stalkers, Faruk B., ebenfalls aus Gelsenkirchen, 43 Jahre alt, verheiratet, Vater von vier Kindern.

Anderen ähnliches Leid ersparen

Seda, so der Spitzname der zweifachen Mutter, braucht Pausen, um sich zu sammeln, denn das Trauma der Bluttat und die Nachstellungen holen sie immer wieder ein. Die 32-Jährige möchte dennoch reden, will, dass anderen „verfolgten und bedrohten Frauen“ ähnliches Leid erspart bleibt. Und sie klagt an: „Ich habe alles richtig gemacht, ich war bei der Polizei und habe Anzeigen erstattet, ich habe das Gesundheitsamt eingeschaltet und bin vor Gericht gezogen. Geholfen hat es nichts, die haben mich nicht ernst genommen.

Stalker suchte Kontakt über Fake-Accounts und viele wechselnde Telefonnummern

Mit 21 Messerstichen hat ein Stalker die Gelsenkirchenerin „Seda“ (32) beinahe getötet. Die Mutter spricht erstmals über ihre Leidenszeit durch Nachstellungen und Drohungen.
Mit 21 Messerstichen hat ein Stalker die Gelsenkirchenerin „Seda“ (32) beinahe getötet. Die Mutter spricht erstmals über ihre Leidenszeit durch Nachstellungen und Drohungen. © picture alliance / PYMCA/Photosh | dpa Picture-Alliance / Oliver Grove

Seda erzählt, dass die Nachstellungen von Faruk Ende 2016 begonnen hätten, nachdem sie ihm klargemacht habe, dass sie keine Beziehung mit ihm eingehen möchte. Zunächst „über Fake-Accounts in sozialen Netzwerken“, später mit Klarnamen. Auf ihrem Smartphone hat sie alles gespeichert, sie zeigt es vor, dort in den Netzwerken ist der spätere Angreifer augenscheinlich mal als Yusuf, mal als Esra unterwegs. Archiviert hat sie auch die vielen verschiedenen Telefonnummern, über die sie Faruk B. permanent kontaktiert haben soll – es sind knapp 20. Er fand sie immer wieder, obwohl sie, wie sie sagt, „schon viermal die eigene Handynummer gewechselt hat.“

Strafgelder und Annäherungsverbot gegen Stalker zeigten keine Wirkung

Strafgelder und Annäherungsverbot wurden verhängt, haben den Stalker aber kalt gelassen. Richtig bedrohlich ist Sedas Erzählungen zufolge die Situation 2018 geworden. „Da hat er die Angst vor dieser Art der Bestrafung völlig verloren“, sagt sie. Als Nachweis seiner gewachsenen Aggression und nachlassender Sorge vor Konsequenzen präsentiert sie Auszüge aus den Netzwerken, Sprachnachrichten und Videos. Ein Account-Name Anfang Juli 2018 lautet „Wir werden dich töten“, wie Sedas Tante übersetzt. Als Bild ist das Wohnhaus der zweifachen Mutter zu sehen. Die Tante ist seit dem Angriff am 22. Juni an der Horster Straße oft bei Seda, sie übernachtet neben ihr im Krankenhaus, weil ihre Nichte „derzeit ungern allein bleibt und kaum Schlaf findet“.

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Todesdrohungen ausgestoßen auf Video und über Netzwerk-Nachrichten

Ein Video von Ende Oktober 2018 zeigt, wie ein Mann vor Sedas Haus Steine aufzuheben versucht und dabei brüllt „Ich werde dich umbringen“. Wieder ist es die Tante, die übersetzt, wieder sagt Seda: „Das ist Faruk.“ Das Ganze gipfelt in einer Nachricht über Messenger vom 27. Mai dieses Jahres - dieses Mal an die Brüder von Seda, die es prompt weiterleiteten, um sie zu warnen: „Ich werde eure Schwester töten, ich habe es letzten Dienstag versucht, es hat nicht geklappt, aber ich gebe nicht auf.“

Opfer hat Zweifel am Platzverweis der Polizei

„Was“, fragt Seda, „hätte ich denn noch alles tun können“ - all diese Nachstellungen habe sie Polizei und Behörden angezeigt. Mehr als fünf Mal habe sie die Polizei um Hilfe gebeten. Zuletzt am Samstag vor dem Attentat, wo Faruk B. vor Zeugen gedroht habe, ihr die Kehle durchzuschneiden. Mehr als eine Gefährderansprache und ein Platzverweis sei dabei nicht herausgekommen. Die junge Mutter: „Faruk ist danach niemals Richtung Markt weggegangen, dafür gibt es Zeugen.“