Buer. Nach der brutalen Messerattacke in Gelsenkirchen wirft die Stadtverordnete Monika Gärtner-Engel Polizei und Justiz „schwere Versäumnisse“ vor.
Die gute Nachricht zuerst: Die 32-jährige Frau, die am Samstag gegen 14.30 Uhr an der Horster Straße in Buer Opfer eines brutalen Messerangriffs wurde, „schwebt zum Glück nicht mehr in Lebensgefahr“. Das sagte die Gelsenkirchener Stadtverordnete Monika Gärtner-Engel am Dienstag, nachdem sie mit den Anwälten des Stalking-Opfers gesprochen hat.
Die Lokalpolitikerin wurde nach eigenen Angaben vor der Tat von der alleinerziehenden Mutter zweier minderjähriger Kinder (neun und elf Jahre) um Hilfe gebeten, weil sie keinen Ausweg mehr sah, den Nachstellungen des mutmaßlichen Täters aus dem Weg zu gehen.
Über den Rechtsbeistand des Stalking-Opfers mit Einzelheiten in dem Fall augenscheinlich vertraut, wirft Monika Gärtner-Engel Polizei und Justiz „schwere Versäumnisse“ vor. Der gravierendste Vorwurf: „Der Mann ist nicht durchsucht worden, obwohl es eindeutige Hinweise auf eine echte Bedrohung gegeben hat.“
Geste des Kehledurchschneidens gemacht
Gärtner-Engel meint damit die Geste des „Kehledurchschneidens“, die der 43-Jährige ihrer Darstellung nach eine halbe Stunde vor dem Messer-Attentat gegenüber der Mutter und einem Zeugen gemacht haben soll, als er erstmals an ihrem Wohnort an der Horster Straße gegenüber dem Kunstmuseum auftauchte. Worauf die verängstigte Frau umgehend die Polizei alarmierte. Den Informationen der Stadtverordneten nach habe ein Polizist als Reaktion auf die beschriebene Kehle-Geste lediglich gesagt: „Solange nichts passiert, kann ich nichts machen.“
Strafbarkeit nach dem Gewaltschutzgesetz
Wer einem gerichtlich angeordneten und vollstreckbaren Kontaktverbot und/oder Wohnungsbetretungsverbot nach Paragraph 1 des Gewaltschutzgesetzes zuwider handelt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe belegt. Damit soll der Schutz des Opfers effektiver durchgesetzt werden.
Dies gilt auch, wenn keine Partnerschaft zwischen Täter/Täterin und Opfer besteht.
Der Angreifer sei nach dem Platzverweis durch die Beamten in ein nahe gelegenes Lokal gegangen. Kurze Zeit später lauerte er seinem Opfer erneut vor der Haustür auf und stach zu, als sie das Gebäude neben einer Eisdiele verlassen wollte.
Strikteres Kontaktverbot
Der Justiz wirft Monika Engel-Gärtner Untätigkeit vor: „Schon seit dem Frühjahr 2017 wird die Frau verfolgt. Und nicht erst seit 2018. Vier Strafanzeigen hat die Mutter wegen Stalkings gestellt, ohne dass es eine Verurteilung gegeben hat.“
Außerdem sei das gerichtliche Annäherungsverbot von 2018 viel zu lasch ausgefallen: „25 Meter Abstand“ sollte der aufdringliche Verehrer einhalten, die Frau „nicht belästigen, bedrohen oder verletzen“. Nach Meinung der Stadtverordneten hätte es ein strikteres, „generelles Kontaktverbot“ geben müssen.
Polizei sah eine Gefahr nicht mehr gegeben
Die zuständige Staatsanwältin Elke Hinterberg war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Dafür reagierte die Gelsenkirchener Polizei auf die erhobenen Vorwürfe: „Die eingesetzten Polizeibeamten haben vor Ort eine Gefährderansprache durchgeführt und dem Tatverdächtigen die unmittelbaren Konsequenzen eines Verstoßes gegen die erteilten Verhaltensmaßregeln aufgezeigt. Sie fertigten außerdem wegen des Bedrohungstatbestandes eine Strafanzeige. Zudem sprachen die Polizeibeamten einen Platzverweis aus, dem der Mann zunächst Folge leistete. Damit war die Gefahr zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben.“
In dem sozialen Netzwerk Instagram gibt sich der jetzt in Untersuchungshaft sitzende Gelsenkirchener als liebevoller Familienvater, posiert dort unter anderem mit einem Baby auf dem Arm.
Schwerverletzte gab Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse für Frauen
Die brutale Messerattacke auf die 32-jährige Frau in Buer hat bei Oberbürgermeister Frank Baranowski tiefe Bestürzung ausgelöst: „Diese kaum vorstellbare Tat macht uns alle fassungslos. Unser aller Sorge gilt der jungen Frau. Wir wünschen ihr, dass sich ihr Gesundheitszustand stabilisiert und bessert.“
Die Gelsenkirchenerin war seit mehreren Jahren auch für die Stadt tätig und hat unter anderem Tanz- und Selbstbehauptungskurse für Frauen und Mädchen gegeben. Auch ehrenamtlich engagierte sie sich in diesem Bereich.
Besonders erschreckend, so der OB weiter, sei gewesen, dass sich die Tat vor den Augen der beiden Kinder der alleinerziehenden Mutter abspielte. Das Referat Kinder, Jugend und Familie nimmt unverzüglich Kontakt zu den Angehörigen auf, bei denen die Kinder untergebracht sind, und wird konkrete Hilfs- und Schutzangebote unterbreiten.
Runder Tisch Häusliche Gewalt klärt auf
„Dieser schreckliche Vorfall zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass wir uns in Gelsenkirchen entschieden gegen Gewalt an Frauen wenden“, betont Baranowski. Der Runde Tisch gegen Häusliche Gewalt, an dem neben Stadt und Polizei weitere Initiativen und Verbände beteiligt sind, hat für dieses Jahr bereits Aktionen in Vorbereitung um aufzuklären und Betroffenen Hilfen anzubieten. Baranowski: „Wir brauchen eine klare Haltung zu Gewalt gegen Frauen. Deshalb werden wir und dürfen wir in unseren Anstrengungen hier nicht nachlassen.“