Gelsenkirchen. . Das Lagebild Clan-Kriminalität wirkt bedrohlich. Gelsenkirchen ist ein Hot-Spot. Syrer, Iraker und arabische Großfamilien kämpfen um die Macht.

Kriminelle Mitglieder von Großfamilien treiben seit Jahren ihr Unwesen. Sie verdienen Millionen mit Erpressung, Prostitution, Rauschgifthandel, Geldwäsche und weiteren Straftaten. Spätestens seit Veröffentlichung des ersten Lagebilds zur „Clan-Kriminalität“ durch das NRW-Innenministerium ist klar: Auch das Ruhrgebiet ist schwer betroffen, Gelsenkirchen eine Hochburg.

1096 Straftaten listet die Statistik für den Zeitraum 2016 bis 2018 hier auf, deutlich übertroffen nur von Essen (2439), das gemessen an Einwohnern fast dreimal so groß ist wie Gelsenkirchen. Selbst umliegende Großstädte wie Duisburg (790), Bochum (782) und Dortmund (703) folgen mit signifikantem Abstand. Daraus lässt sich schließen, das dass das Problem vor Ort weit größer ist, als lange Zeit angenommen.

Paradigmenwechsel eingeleitet

Das erste Lagebild in NRW bedeutet einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Clan-Kriminalität. Denn eine solche Analyse wurde bis vor zwei Jahren in Düsseldorf noch wegen seines Potenzials zur Diskriminierung abgelehnt.

Ohne Lagebild allerdings bleiben der Polizei für ihre Ermittlungen bedeutsame Zusammenhänge verborgen. Denn es kommt offenbar eine bedrohliche Entwicklung auf Gelsenkirchen und seine Reviernachbarn zu. Zitat aus dem Lagebericht: „Die kriminellen Angehörigen türkisch-arabischstämmiger Familienverbände sehen sich in den letzten Monaten einem Verdrängungswettbewerb um kriminelle Märkte ausgesetzt, der durch Personen mit Herkunft aus Syrien beziehungsweise dem Irak forciert scheint. Diese konkurrierenden Gruppierungen werden – auch vor dem Hintergrund teilweise aktueller Kriegserfahrungen – im Milieu als besonders durchsetzungsstark und gewalttätig wahrgenommen.“

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU, Mitte) war persönlich dabei, als Polizei und andere Ordnungsbehörden im Juli 2018 in Gelsenkirchen die erste von weiteren Großkontrollen unter dem Motto „Politik der 1000 Nadelstiche“ durchführten.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU, Mitte) war persönlich dabei, als Polizei und andere Ordnungsbehörden im Juli 2018 in Gelsenkirchen die erste von weiteren Großkontrollen unter dem Motto „Politik der 1000 Nadelstiche“ durchführten. © Olaf Ziegler

Übersetzt heißt das: Junge Männer, die sich bereits als Asylbewerber für die etablierten türkisch-arabischen Clans als Handlanger etwa im Drogenhandel verdingt haben, machen sich jetzt auf, ihren früheren „Arbeitgebern“ die lukrativen Geschäfte streitig zu machen. Notfalls mit Waffengewalt.

Prognose: Clans werden wachsen

Wobei zur Wahrheit gehört, dass Clan-Kriminalität kein rein türkisch-arabisch geprägtes Phänomen ist. Die größte Gruppe mit 36 Prozent besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit, gefolgt von libanesisch (31 Prozent), türkisch (15 Prozent) und syrisch (13 Prozent).

Der hohe Anteil mit deutscher Nationalität rührt aber auch daher, dass es sich um ein lang verdrängtes Generationenproblem handelt, die Kinder schon vor Jahren oder Jahrzehnten Zugewanderter Deutsche sind.

Das 30-seitige Papier des Landeskriminalamtes prognostiziert zudem eine weitere alarmierende Entwicklung: „Angesichts der im Vergleich hohen Geburtenrate wird sich die Zahl der Familienmitglieder türkisch-arabischstämmiger Großfamilien deutlich erhöhen.“ Das heißt, die Verteilungskämpfe könnten an Zahl und Intensität zunehmen.

Schon im zu Grunde liegenden Zeitraum 2016 bis 2018 banden Einsätze gegen Clan-Kriminalität in Gelsenkirchen 385 Polizeikräfte, fielen 2691 Personenstunden an (Essen: 940 Polizisten, 11.665 Stunden). Die Unterstützung von Zoll, Staatsanwaltschaft, Finanz- und Ordnungsamt sowie Gewerbe- und Bauaufsicht nicht mit eingerechnet. In Zukunft dürften es noch mehr werden.

>> 522 Tatverdächtige wohnen in Gelsenkirchen

Zwischen den Jahren 2016 und 2018 verübten laut Lagebild rund 6500 Mitglieder diverser Clans in NRW 14.225 Delikte. Bei den meisten Fällen (5606) handelte es sich laut Statistik um Gewaltstraftaten, danach folgten Eigentums- und Betrugsdelikte (jeweils rund 2600), Rauschgift-Straftaten (1000) und andere Straftaten.

Von 6449 Tatverdächtigen wohnen 522 in Gelsenkirchen. Platz drei nach Essen (1137) und Recklinghausen (608).

Unter den 522 tatverdächtigen Gelsenkirchenern sind 43 Mehrfachtäter (Essen: 74, Duisburg 30). Auch bei Straftaten durch Mehrfachtäter liegt der Schwerpunkt auf Gewaltkriminalität.