Gelsenkirchen. . Gelsenkirchens OB Baranowski unterschreibt mit anderen OB Brandbrief ans ZDF. Die Stadt verweigert die Teilnahme an einem neuen Städte-Ranking.

Der Aufschrei in Gelsenkirchen, er hallt immer noch nach. Als im Mai vergangenen Jahres die gemeinsame Studie von ZDF und Prognos zur Lebensqualität aller Städte und Landkreise in Deutschland veröffentlicht wurde, landete Gelsenkirchen auf dem 401. und somit letzten Platz.

Dass nun eine weitere Studie folgen könnte mit demselben, zumindest aber annähernd gleichen Ergebnis, treibt nicht nur Frank Baranowski als Oberbürgermeister von Gelsenkirchen um. Auch die anderen Stadtoberhäupter aus dem Revier ahnen Übles. Gemeinsam haben sie einen Brief an Prognos und das ZDF verfasst, in dem sie ihre Teilnahme an der Studie ablehnen. Der Brief befindet sich zurzeit noch im Stadium eines Entwurfs, liegt der WAZ aber vor.

Baranowski spricht von „vorhersehbarem Ergebnis“

Wenn es Frühling wird uns alles schön grünt, kann es in Gelsenkirchen richtig schön sein (hier: Nordsternpark).
Wenn es Frühling wird uns alles schön grünt, kann es in Gelsenkirchen richtig schön sein (hier: Nordsternpark). © Hans Blossey/Luftbild/Archiv

„Ich habe das mit freigegeben“, sagte Frank Baranowski am Freitag gegenüber der WAZ. Er und die anderen Oberbürgermeister und Landräte hätten einen Fragebogen vom ZDF erhalten. „Wir haben uns das angeschaut und festgestellt: Da haben wir gar keine andere Chance, als schon wieder auf den letzten Plätzen zu landen.“ Seiner Meinung nach sei das „Ergebnis vorhersehbar“. Die neue Studie knüpfe nahtlos an ihren Vorgänger an. „Wir fanden das alle sehr grenzwertig“, so Baranowski über sein Urteil und das seiner Amtskollegen.

Diesmal will der Mainzer Sender für seine dienstägliche Reportage-Reihe „ZDFzeit“ einen „Familienatlas“ und einen „Seniorenatlas“ erstellen. 2018 war es der „Deutschlandatlas“, der hohe Wellen schlug. Während die einen sich massiv beklagten, von derartigen Studien immer an denselben Pranger gestellt zu werden, sahen sich die anderen in ihrer negativen Sicht auf die Stadt und das Ruhrgebiet bestätigt. Auch Nachbarstädte wie Herne (Platz 400), Essen (379) und Bochum (371) landeten auf den hinteren Plätzen.

Einladung an das ZDF

#401GE

Der letzte Platz bei der ZDF/Prognos-Studie 2018 veranlasste Schalke-Fan Olivier Kruschinski zu einer Kampagne, die das Thema mit einer gewissen Ironie aufgriff: „#401GE“.

Er ließ Aufkleber und T-Shirts mit dem Slogan bedrucken. Die Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic (Grüne) trat mit einem dieser Shirts sogar mal ans Rednerpult im Deutschen Bundestag.

Auch heute wird der Hashtag „#401GE“ noch oft bei Beiträgen auf Facebook und Twitter verwendet.

Auch Frank Baranowski äußerte schon damals sein Unverständnis über die Auswahl und Gewichtung der Kriterien; darüber, dass zum Beispiel die hohe Langzeitarbeitslosigkeit und Kinderarmut eigenständig bewertet wurden, obwohl sie in einem direkten Zusammenhang stehen.

Zudem: „Sie haben sich nicht damit beschäftigt, in welchem Zustand unsere Kindergärten und Schulen sind und in welchem Maße wir hier Grünflächen haben. Digitalisierung war auch kein Thema. Das ist so nicht in Ordnung“, sagte Baranowski im WAZ-SommerGEspräch, in dem er dem ZDF auch eine Einladung aussprach: „Ich hätte ja nichts dagegen, wenn das ZDF sein Sendezentrum von Mainz nach Gelsenkirchen verlegt. Das wären viele Arbeitsplätze, die wir hier gut gebrauchen könnten. Das wäre doch ein Beitrag zum Strukturwandel!“

Baranowski weiß um die Langzeitarbeitslosigkeit

Noch ist der Brief nicht versandt und somit auch nicht klar, wie das ZDF reagiert und was das für diese Teilnahme-Verweigerung für die Studie bedeutet. „Keine Ahnung“, so Baranowski am Freitag. Das müssten Prognos und das ZDF beantworten.

„Wir wissen von der hohen Langzeitarbeitslosigkeit. Aber ich frage mich noch immer, welchen Einfluss das auf die Lebensqualität hat“, so der Oberbürgermeister. „Wir brauchen nicht noch mehr dieser Studien, deren Ergebnis schon vorher feststeht. Wenn Prognos und das ZDF das anders sehen, müssen sie ihre Studien machen – aber dann ohne uns.“