Gelsenkirchen. . Ministerin Barley zu Gast beim Neujahrsempfang der SPD Gelsenkirchen: Sie hielt eine flammende Rede für Europa und überraschte mit Turnschuhen.
Hoher Besuch beim Neujahrsempfang der hiesigen SPD: Katarina Barley, Justizministerin im Kabinett Merkel und Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten für die im Mai anstehende Europawahl, kam am Samstagvormittag nach Gelsenkirchen. Ins Sozialwerk St. Georg an die Emscherstraße lud die SPD Partei- und Fraktionsmitglieder sowie Vertreter aus Wirtschaft, Kirche und Kultur ein.
Katarina Barley kommt ganz leger – in Jeans und Turnschuhen. Und entschuldigt sich auch gleich dafür: Die Schuhe, sagt sie, habe sie von den Jusos für den Europawahlkampf geschenkt bekommen. „Die müssten bis zum 26. Mai durchgelaufen sein. Und die Jeans gibt mir ein bisschen die Illusion, ich hätte so etwas Ähnliches wie Wochenende.“
„Die SPD wird völlig unter Wert bewertet“
Ein Wochenende im Dienste der Partei, die, so findet sie, „völlig unter Wert bewertet“ werde. „Ich ärgere mich, wie über unsere Partei geschrieben wird.“ Die SPD, das seien nämlich nicht nur die Minister oder Abgeordneten im Bund und den Ländern – „das sind über 400.000 Menschen. Es ist respektlos, deren Arbeit immer so abzuwerten.“ Deshalb werde sie für den Europawahlkampf alles geben. „Ich finde, das hat diese Partei verdient.“ Die SPD sei „im schwierigen Fahrwasser“, die Europawahl „sehr wichtig für unsere Partei“.
Doch der Zustand der SPD sei nur der zweite Grund, warum sie sich zur Spitzenkandidatin küren ließ. Grund Nummer eins: „Ich bin vom Scheitel bis zur Sohle Europäerin.“ Ihr Vater ist Brite („Der Brexit schmerzt mich immer noch jeden Tag“), ihr erster Ehemann Spanier („Unsere zwei Kinder haben vier Großeltern aus vier verschiedenen Ländern“), ihr heutiger Lebensgefährte Niederländer. Barley wohnt in Trier und sagt: „Wenn man gut drauf ist, kann man von dort aus an einem Tag mit dem Fahrrad durch vier Länder fahren.“
Werbung für die Europawahl am 26. Mai
Barley lässt die Gäste spüren, dass sie für Europa und den europäischen Gedanken brennt: „Die EU hat so viel geschaffen – für alle Länder.“ Sie greift das Motto des Sozialwerks St. Georg („Gemeinsam. Anders. Stark.“) auf und sagt, dass dies eigentlich auch für die Europäische Union gelten sollte. Doch: „Dieser europäische Geist ist irgendwann auf der Strecke geblieben.“
Am 26. Mai hätten die Europäer nun die Möglichkeit zu entscheiden: „In welche Richtung steuern wir dieses Europa? Wollen wir ein Europa der Egoisten? Oder wollen wir den ursprünglichen Geist wiederbleben?“
Die 50-Jährige kam auch auf das Thema Flüchtlinge zu sprechen: „Die Flüchtlinge ertrinken nicht erst seit 2015 im Mittelmeer. Griechenland, Italien und Spanien haben schon vor 25 Jahren Flüchtlinge aufgenommen. In Lampedusa landen sie schon seit 25 Jahren. Und ehrlich gesagt: Es hat hier keinen interessiert.“ Man habe die Länder mit dem Problem alleingelassen. „Und dann 2015 stehen sie bei uns vor der Grenze. Und sind hier. Und wir schreien nach europäischer Solidarität.“ Dabei müsse genau diese europäische Solidarität ein Grundsatz sein, der immer gelte – „und zwar wenn andere sie brauchen und wenn wir sie brauchen“.
Europa und der Aspekt des Friedens
Barley spricht beim Thema Europa auch über den Aspekt des Friedens. „Ich bin keine Pazifistin! Ich bin nicht der Meinung, dass man nie auch mit Waffengewalt irgendwo einschreiten darf. Aber ich bin dafür, dass wir alles tun müssen, um den Frieden zu bewahren.“
Und Frieden – das sei mehr als nur „die Abwesenheit des Krieges“. Das sei das, was die Europäische Union meint: „Miteinander reden, verhandeln, sich kennenlernen, sich austauschen, sich auch ruhig mal streiten, so wie in der Familie auch.“
Ein Glas Gelsenkirchener Honig als Dankeschön
Eine gute halbe Stunde dauert die Rede der Ministerin. Als Dankeschön bekommt sie neben viel Applaus und einem Strauß Blumen auch ein Glas Gelsenkirchener Honig. Ein passendes Geschenk: Barley gesteht, wie gern sie Honig isst – und zu Hause sei der Vorrat gerade erschöpft.
Nicht bei Honig, aber bei Currywurst und anderen Leckereien nutzen die Sozialdemokraten den anschließenden Samstagmittag zum regen Austausch.