Gelsenkirchen. . Neujahrsempfang der Gelsenkirchener SPD steht im Zeichen der Bundespolitik. Willy-Brandt-Medaille für Joachim Poß. Gastredner: Franz Müntefering.

„Normalerweise lasse ich an dieser Stelle immer das vergangene Jahr Revue passieren. Aber in diesem Jahr ist alles anders. Denn die Menschen bewegt zurzeit vor allem eine Frage: Wann bekommen wir eine neue Regierung und welche Parteien stellen sie?“ Die Gelsenkirchener SPD und ihre Chefin Heike Gebhard hätten sich also gar keinen besseren Termin für ihren jährlichen Neujahrsempfang aussuchen können. Denn auf die Partei richten sich derzeit alle Augen. Gehen die Sozialdemokraten in die nächste GroKo? Wenn dann noch mit Franz Müntefering ein ehemaliger Parteivorsitzender und Vizekanzler als Gastredner dabei ist, schaut sogar das ZDF in Gelsenkirchen vorbei.

Warum sich die SPD mit der Entscheidung schwer tut

Etwa 300 Gäste – darunter Sozialdemokraten dieser Stadt wie Oberbürgermeister Frank Baranowski, Fraktionschef Klaus Haertel und MdB Markus Töns sowie Vertreter verschiedenster Einrichtungen und Organisationen – fanden am Samstagvormittag den Weg in die Emscher-Werkstatt des Sozialwerks St. Georg.

In ihrer Begrüßungsansprache kam Heike Gebhard schnell zum Punkt: „Jetzt soll die SPD es wieder richten“, sagte sie mit Blick auf die gescheiterten Jamaika-Sondierungen. Dabei habe sich die Partei nie vor ihrer staatspolitischen Verantwortung gedrückt. Sie erklärte, warum sich die SPD mit der anstehenden Entscheidung so schwer tut: „Wollen wir, dass die Volksparteien immer schwächer und die Ränder immer stärker werden?“ Ohne die Partei beim Namen zu nennen, verwies sie auf die AfD, die bei einer neuen GroKo die stärkste Oppositionspartei im Bundestag wäre.

Müntefering sagte nichts zur GroKo-Debatte

Viele hatten darauf gehofft, dass auch Franz Müntefering sich zur aktuellen parteipolitischen Situation und zum Dilemma der SPD äußern würde. Das tat er jedoch nicht. Im Mittelpunkt seiner Ansprache standen zwei Dinge: Zum einen hielt er die Laudatio auf Joachim Poß. Der langjährige Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete wurde am Samstag mit der Willy-Brandt-Medaille ausgezeichnet. Zum anderen fand er treffende Worte zur Situation unserer Gesellschaft. „Die ganze Frage der Gerechtigkeit beginnt bei der Bildung. Wer will, dass wir eine gerechte Gesellschaft bekommen, der muss sich um viele Dinge kümmern, aber zu allererst um die Frage der Bildung.“ Bei dem Thema sei in Deutschland einiges zu tun; das dürfe man nicht allein den Lehrern überlassen. „Wenn wir das nicht machen, werden wir das in 20, 30 Jahren alles bitter bezahlen.“

Franz Müntefering
Franz Müntefering © Michael Korte

Müntefering betonte mehrfach in Anlehnung eines Zitats von Joachim Poß aus dem Jahre 1994, dass Menschen Einfluss nehmen können: „Wir müssen uns vor Augen führen: Wir haben die Möglichkeit, Dinge zu verändern.“ Die Gesellschaft verändere sich schließlich auch. „Wer sagt, das geht uns alles nichts an, es soll alles so bleiben – da sage ich: Tut mir leid, es wird alles ein bisschen anders sein. Nicht schlechter, aber anders.“ Der Zustrom an Flüchtlingen sei auch ein Zeichen dafür, was in dieser Welt los sei. „Wir können nicht der ganzen Welt helfen, auch nicht allen Menschen. Aber wir sind konfrontiert mit dieser Wahrheit. Man kann das nicht verdrängen.“

Joachim Poß – 37 Jahre im Bundestag

Joachim Poß
Joachim Poß © Thomas Schmidtke/Archiv

Über Joachim Poß, der von 1970 bis 2017 für Gelsenkirchen im Bundestag saß, sagte Müntefering: „Es waren zum Teil bewegte Zeiten. Er hat stets den gesunden Menschenverstand behalten.“ Bei den Gelsenkirchenern bedankte er sich, „dass sie Poß 37 Jahre lang immer wieder in den Bundestag gewählt haben“.

Bald hat die SPD die Wahl: GroKo – ja oder nein? Kein Wunder, dass dieses Thema wie kein zweites beim anschließenden Imbiss diskutiert wurde. Heike Gebhard: „Es wird eine anstrengende Woche.“

>>> STICHWORT: Willy-Brandt-Medaille <<<

Die Willy-Brandt-Medaille ist eine Auszeichnung der SPD. Die Partei ehrt damit Mitglieder, die sich um die Sozialdemokratie in besonderer Weise verdient gemacht haben. Geschaffen wurde die Auszeichnung durch einen Beschluss des Parteivorstandes vom 16. Dezember 1996.

Die Medaille, benannt nach dem Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt, ist die höchste Auszeichnung, die die Partei an ihre Mitglieder vergibt.