Gelsenkirchen. Die Drogenberatung meldet höhere Fallzahlen. Im besten Fall geht die Betreuung so positiv aus wie bei Heinz, der clean bleiben will.

  • Die Drogenberatung Kontakcentrum registriert steigende Fallzahlen. 296 Neuaufnahmen bis Ende September
  • Sozialpädagogin Katharina Küsgen sagt, mehr Jüngere kämen, um aus der Drogenszene auszusteigen
  • Der Weg von Ex-Junkie Heinz (47) zeigt, wie positiv eine intensive Beratung und Betreuung ausgehen kann

Beratung und Hilfe, Kontakt zu Ämtern, Ärzten und Justiz(vollzugsanstalt), Ansprechpartner für Menschen in Arbeitsgelegenheiten oder im „Café nass“, Kenntnisse im Sozialrecht, das Projekt „tough enough“, ambulant betreutes Wohnen . . . Es ist ein komplexes Aufgabenfeld, das die 14 Sozialpädagogen/-arbeiter und neuerdings ein Werkstudent in der Drogenberatung stemmen.

Wachsende Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr

Und das alles vor dem Hintergrund wachsender Fallzahlen. „Wir verzeichnen eine deutliche Steigerung gegenüber 2015“, sagt Katharina Küsgen, die Fachbereichsleitung für Beratung, stellvertretende Leiterin der Drogenberatungsstelle, Qualitätsmanagementbeauftragte und Kinderschutzfachkraft in Personalunion. „Wir beraten insgesamt 889 Menschen und haben mit Stand 30. September dieses Jahres 296 Neuaufnahmen.“ Erstmals seit längerer Zeit seien wieder mehr Leute darunter, die zum ersten mal substituiert sind. Heißt: Drogenabhängige, die Heroin und Co. entsagen wollen und ins Methadonprogramm gegangen sind.

Noch einen bemerkenswerten Anstieg registriert das Team des Kontakcentrums: Es kommen mehr Leute ins Café (nass) der Beratungsstelle. Vergangene Woche waren es an einem Tag 93 Männer und Frauen, annähernd doppelt so viel wie üblich. Auch ein Generationswechsel vollzieht sich offensichtlich in der Szene. „Es sind immer jüngere Menschen, die zu uns kommen, viele unter 35 und jünger“, sagt Küsgen. Der Altersdurchschnitt der Leute in Beratung liege aktuell noch bei 40 bis 45 Jahren.

19 Plätze für Arbeitsgelegenheiten

Die Drogenberatung ist Maßnahmenträger der Jobcenters für so genannte Arbeitsgelegenheiten (AGH). 19 Plätze bietet die Fachstelle an. „Heißbegehrt“ seien die, schmunzelt Katharina Küsgen. Kein Wunder, kommt doch ein Großteil der AGH-Beschäftigten aus den Reihen der Substituierten selbst. Heinz (47) gehört dazu.

Vor drei Jahren, als ihr Sohn geboren wurde, hat es bei ihm und seiner Lebensgefährtin Marina „Klick“ gemacht. Der Junge kam mit Entzugserscheinungen auf die Welt, das Jugendamt wurde eingeschaltet. Und dessen Ansage war hart: Weg von den Drogen oder das Kind kann nicht bei den Eltern bleiben. „Das war nicht so böse, wie es sich angehört hat“, sagt Heinz heute. Und: Die Drohung sei gut gewesen. „Ich wollte nicht, dass andere mein Kind erziehen und mein Sohn zu einem Fremden Papa sagt.“ Das Jugendamt hat nach der Geburt des Kleinen auch Katharina Küsgen ins Boot geholt. „Ein glücklicher Umstand“, sagt Heinz und lacht. Oder: ein Grundstein für ein neues Leben.

Hand in Hand mit dem Jugendamt

Ein halbes Jahr bekam Marina – sie hat heute eine AGH-Stelle in der Verwaltung der Drogenberatung – eine Hebamme zur Seite gestellt und eine Familienbetreuerin des Jugendamtes besuchte die junge Mutter, Vater Heinz und ihr Kind regelmäßig. Das liegt inzwischen zweieinhalb Jahre zurück.

Was blieb, waren Beratung und Hilfe der Fachstelle. Heute geht der Junge, der sich prächtig entwickelt hat, in die Kita. Heinz hat – Gesetzgeber sei Dank – im Oktober sein drittes Arbeitsgelegenheitsjahr im Kontaktcentrum begonnen. „Bisher wurden nur zwei Jahre genehmigt“, erläutert Katharina Küsgen. Jetzt gebe es eine Gesetzesänderung, wonach bei bestimmten Zielgruppen mit positiven Prognosen das AGH-Programm um ein weiteres Jahr verlängert werden kann. „An diesem Beispiel zeigt sich auch, dass die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt gut funktioniert hat, das uns den Fall überantwortet hat“, sagt Küsgen. Und setzt nach: „Eine enge Betreuung führt zum Erfolg.“

Heiligabendfeier im Café nass bleibt trocken

Heinz, gelernter Maler und Lackierer – „aber der Körper ist platt“ – erzählt, er habe eines gelernt: „Hilfe tut nicht weh.“ Man müsse sie nur annehmen. „Der Ausstieg aus dem Drogenkonsum hat mir auch gebracht, dass ich zum ersten Mal seit 20 Jahren straffrei bin.“

Er und seine Marina sind zwar immer noch im Methadonprogramm, bauen die ärztlich kontrollierte Einnahme des vollsynthetischen Opioids – landläufig als Ausstiegsdroge bezeichnet – aber sukzessive ab. Und freuen sich nun wieder auf den 24. Dezember, auf das Weihnachtsessen im Café in geselliger Runde.

Eine Besonderheit gibt es an diesem Tag wieder: Das Café nass bleibt Heiligabend trocken.