Gelsenkirchen. . Der wunderbare Konzertabend mit Weltklasse-Sopranistin Anne Schwanewilms aus Gelsenkirchen riss das Publikum im Musiktheater von den Stühlen.

Der ältere Herr auf den vorderen Plätzen zögert nicht. Er hebt die Hand und winkt Richtung Bühne. Anne Schwanewilms lächelt und nickt ihm zu. Ein internationaler Opernstar kehrt zurück in seine Heimat und sorgt für beglückende Momente – bei Menschen, die die Sängerin noch von früher her kennen, beim ganzen Publikum, beim Orchester. Aber auch die am Ende mit Bravos und stehenden Ovationen überschüttete, strahlende Sopranistin schien das Gastspiel im Musiktheater im Revier glücklich zu genießen.

Generalmusikdirektor Rasmus Baumann gelang für das 3. Sinfoniekonzert wahrlich ein Coup mit dem Engagement der Sängerin, die auf den größten Bühnen der Welt zu Hause ist und 1967 im beschaulichen Resse geboren wurde. Der Abend geriet allerdings zu weit mehr als einem Wiedersehen mit einer berühmten Tochter der Stadt. Er erlaubte die Begegnung mit einer betörenden, unglaublich flexiblen, samtig glutvollen, nobel leuchtenden Stimme.

Paradiesisches Finale

Ein Ausrufezeichen setzte die Neue Philharmonie bereits mit der Eröffnung des Abends, der unter dem Titel „Fin de Siécle“ an das Ende des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren erinnerte. Die hochdramatische, „Phantastische Ouvertüre“ op. 15 von Franz Schreker (1878-1934) endete im opulenten Klangrausch und bereitete den Boden für Richard Strauss zarte Lieder vor.

In prächtiger roter Robe gewandet sang Anne Schwanewilms, eine ausgewiesene Richard-Strauss-Interpretin, sechs vor allem abschiedsschwangere Lieder für Sopran und Orchester, wunderbar aufmerksam von der Neuen Philharmonie unter Rasmus Baumann begleitet. Das melancholisch gefärbte „Malven“ entdeckte die Nachwelt erst nach dem Tod von Strauss. 2014 orchestrierte Wolfgang Rihm das Lied, das nun von Anne Schwanewilms und Rasmus Baumann weltweit erst zum zweiten Mal interpretiert wurde. Makellos in Technik und Interpretation.

Der Star hat keine großen Gesten nötig

Auch so bekannte „Hits“ wie das verträumte „Morgen“ und das sehnsuchtsvolle „Allerseelen“ berührten dank klarer Tonfarben.

Die Sopranistin wechselt scheinbar völlig unangestrengt die Register, klingt schimmernd in den Höhen, warm in der Mittellage. Die große, opernhafte Geste, sie braucht sie nicht. Wohltuend ruhig, fast unbeweglich steht sie da, verändert selbst die Position der Hände kaum. Nur am Ende des ersten Teils, da streckt sie lächelnd die Arme aus, wirft eine Kusshand ins jubelnde Publikum und singt als Zugabe die „Zueignung“ von Strauss mit der Schlusszeile „Habe Dank“!

Mit Gustav Mahler Sinfonie Nr. 4 G-Dur eröffnete die Neue Philharmonie dann einen fast einstündigen prachtvollen Kosmos zwischen schlichtem Engelsgesang, bizarren Ausbrüchen, einem zarten, schlanken dritten Satz und als Krönung das paradiesische Finale, bei dem Anne Schwanewilms den Gesangspart übernahm. Am Ende eines großen Abends, da reckten sich noch einmal ein paar Hände in die Luft und winkten.

>>> Es geht „Schlag auf Schlag“ weiter

Am heutigen Mittwoch gastieren Neue Philharmonie Westfalen und Anne Schwanewilms noch einmal im belgischen Turnhout.

Zu hören ist das Orchester schon am Sonntag, 11. November, wieder in der Stadt, wenn das Sparkassenkonzert für Familien unter dem Titel „Schlag auf Schlag“ um 16 Uhr ins Große Haus des Musiktheaters einlädt. Es spielen Mitglieder der Schlagzeuggruppe der Neuen Philharmonie, es moderiert Roland Vesper. Karten: 0209 4097 200.