Gelsenkirchen. . Das Landesorchester Neue Philharmonie Westfalen erhält eine zusätzliche Finanzspiritze von rund 315.000 Euro durch das NRW-Kulturministerium.

Für die Neue Philharmonie Westfalen geht es weiter aufwärts. Nachdem das Orchester 2015 durch Tariferhöhungen finanziell in Schieflage geraten war und vor dem Aus stand, stehen die Signale jetzt auf Grün. Das Landesorchester wird mehr Geld vom Land NRW erhalten und damit von der aktuellen Erhöhung des NRW-Kulturetats um 20 Millionen Euro profitieren. Die NPW erhält zusätzlich 315.000 Euro mehr.

NPW stand 2015 fast vor dem Aus

Diese Zusage trägt dazu bei, die Neue Philharmonie auch nach 2021 auf sichere Füße zu stellen. Denn nur bis zu diesem Zeitpunkt gibt es bislang eine Bestandsgarantie der Trägerstädte Gelsenkirchen, Recklinghausen und Kreis Unna. Als die NPW 2015 fast vor dem Aus stand, sicherte erst ein Haustarifvertrag den Fortbestand. Die Musiker verzichten seitdem auf Teile ihres Gehaltes, und die Stellenzahl schrumpfte um zehn auf 114 Musiker. Alle Träger stockten damals zudem ihre Zuschüsse auf.

Christoph Tesche (CDU), Bürgermeister Recklinghausens und Vorsitzender des Trägervereins, betonte, dass die Zuschusserhöhung die Wertschätzung des größten Landesorchesters unterstreiche: „Sie ist auch notwendig, um die Aufgabenerfüllung des Orchesters, sowie die Aufrechterhaltung der künstlerischen Qualität sicherzustellen. Ich bin dem Land für diese kulturpolitische Akzentuierung der Bedeutung der kulturellen Infrastruktur sehr dankbar.“

„Wichtiger Beitrag zu einem kulturellen Angebot“

Isabel Pfeiffer-Poensgen, parteilose NRW-Ministerin für Kultur, begründet die Finanzspritze so: „Die Landesorchester leisten einen wichtigen Beitrag zu einem kulturellen Angebot auf hohem Niveau auch abseits der großen Städte. Für die Landesregierung ist es daher von großer Bedeutung, die Rahmenbedingungen zu verbessern.“

Mit der künstlerischen und der wirtschaftlichen Lage des Orchesters ist derzeit auch Philharmonie-Geschäftsführer Jörg Hillebrand zufrieden. Der 49-jährige Musikwissenschaftler verlängerte erst kürzlich seinen vor vier Jahren geschlossenen Fünf-Jahres-Vertrag um weitere fünf Jahre bis 2024. Und zieht eine positive Bilanz: „Wir haben erreicht, was wir erreichen wollten.“

Mehr Einnahmen als eingefordert

Als Hillebrand, zuvor in der Geschäftsführung der Bochumer Symphoniker und des Orchesters Wuppertal tätig, sein Amt bei der Philharmonie übernahm, begannen gerade schwierige Zeiten. Er erinnert sich: „Wir wurden kalt von der finanziellen Krise erwischt.“ Und von einem Sechs-Jahres-Sparplan: „Wir hatten auf einmal weniger Stellen, finanzielle Einbußen, dafür mehr Arbeit.“ Den Musikern zollt der Geschäftsführer heute Respekt: „Vieles läuft inzwischen rund und die Zeit der Ernte beginnt.“

Philharmonie-Geschäftsführer Jörg Hillebrand ist zufrieden.
Philharmonie-Geschäftsführer Jörg Hillebrand ist zufrieden. © Olaf Ziegler

Von Anfang an habe man die Sparpläne eingehalten: „Wir wirtschaften maßvoll, geben wenig aus, nehmen viel ein.“ So sei 2017 das Einnahmesoll in Höhe von 750.000 Euro nicht nur erreicht, sondern mit über einer Million Euro Einspielung weit überschritten worden.

Stimmungstief überwunden

Das Stimmungstief, es sei weitgehend überwunden. Weil sich die Erfolge einstellen: „Wir haben deutlich mehr Publikum angesprochen, haben neue Formate wie ,MiR goes’ auch nach Recklinghausen transportiert, und wir konnten die Einnahmen klar erhöhen.“ Dadurch sei auch das Standing des Orchesters besser geworden, die Akzeptanz in der Politik deutlich höher, besonders in Unna und Recklinghausen: „In Gelsenkirchen war sie eh hoch.“

Dennoch gibt es auch noch Probleme. Die gestutzten Stellen zum Beispiel: „Wir teilen das Orchester zumeist in zwei Klangkörper von 62. Die Zahl reicht aber nicht für jedes Repertoire.“ Heißt: „Wir können oft nicht mehr alle Veranstalterwünsche erfüllen.“ Denn Aushilfen treiben die Kosten in die Höhe, also bleibt manchmal nur die Absage.

Bindung der Besucher ans Orchester sei gewachsen

Die Beliebtheit der Philharmonie steigt ständig: „Als Landesorchester leisten wir Basisarbeit, spielen zusätzlich in den Städten ohne eigenes Orchester.“ Da kämen in den letzten Jahren ständig neue hinzu: „Das empfinde ich als sehr beglückend.“

Auch die Bindung der Besucher ans Orchester sei in den letzten Jahren gewachsen. Nicht zuletzt, weil Management und künstlerische Leitung auch auf Kritik reagieren. Zu wenig große Sinfonik, zu wenig üppige Romantik, dafür zu viele zeitgenössische Werke, zuviel Unbekanntes? Einige Zuhörer haben es wohl so empfunden: „Darauf haben wir mit einem Wechsel in der Programmatik reagiert. In dieser Spielzeit erklingt an einem Abend mindestens ein Repertoire-Kracher.“ Eingebettet in Werke für diejenigen, „die auch mal was Neues entdecken wollen“.

Feedback jeder Art ist wichtig

Reaktionen vom Publikum, positives oder auch negatives Feedback, sind Jörg Hillebrand wichtig: „Ich kann die Menschen nur ermutigen, mit uns Kontakt aufzunehmen.“

Die Neue Philharmonie begleitet unterschiedlichste Chöre, „weil zu unserem Auftrag auch die Laienmusikförderung zählt“. Das Orchester ist unterwegs in kleinen Städten, aber auch auf großen Bühnen. Hillebrand: „Wir sind im besten Sinne des Wortes ein Service-Orchester.“

Sechs Mal in der Essener Philharmonie zu Gast

So begleiteten die Musiker erst kürzlich in Köln die große Operndiva Anna Netrebko, so wird das Orchester in dieser Spielzeit allein sechs Mal in der Essener Philharmonie zu Gast sein: „Das ist ein Rekord und ein Glücksfall.“

Gestern begleitete die NPW in Essen die große Sopranistin Christiane Karg. Drei Mal wird das Orchester live den Kinoklassiker „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ begleiten, in Essen, in der Kölner Philharmonie und der Alten Oper Frankfurt. Auch Harry Potter und Star Wars wird das Orchester in der Oberhausener und der Kölner Arena den richtigen Klang geben.