Gelsenkirchen. . Romeo Franz sitzt als Abgeordneter im Europaparlament. Dort liegt ihm vor allem die Unterstützung von Minderheiten am Herzen.
Abends ein Konzert des Musikers und Meisterschülers des Geigenvirtuosen Schnuckenack Reinhardt in der Flora, nachmittags ganz bündnisgrüner Europa-Abgeordneter und auf Einladung der Gelsenkirchener Parteifreunde auf Stippvisite im Schalker Familientreff Lalok Libre: Romeo Franz.
Franz, Jahrgang 1966 und selbst Sinto, zog Anfang Juli als Nachrücker ins EU-Parlament ein – und wollte ganz schnell helfen, die Lebenswirklichkeit von Roma und Sinti in ihren Herkunftsländern oder ihrer neuen Heimat zu verbessern. Aber: „Auch für einen EU-Abgeordneten ist das eine Sisyphusarbeit.“ Dennoch, betont er: „Ich möchte eine starke Stimme für die Roma sein“.
„Den Menschen wurde alles genommen“
Die Stimme erhob Franz bereits drei Tage nach seinem Amtsantritt in Brüssel – als es um die Forderung des italienischen Innenministers Matteo Salvini ging, Sinti und Roma in Italien ethnisch zu erfassen. „Sie schüren bewusst Rassismus und Hass!“ warf er dem Italiener vor.
Wenn Romeo Franz über Roma spricht, gerät er in Wallung. „Sie waren bis Anfang des 19. Jahrhunderts schon 450 Jahre versklavt. Das bleibt hängen. Den Menschen wurde ihre Kultur, denen wurde alles genommen.“
Bedrückende Vor-Ort-Erfahrung
Im Lalok Libre sitzen neben Martina Lilla-Oblong vom grünen Kreisvorstand die Frauen des Treffpunkts, die tagtäglich mit bulgarischen und rumänischen Zuwandererfamilien und ihren Problemen zu tun haben. Hier braucht der Grüne eigentlich keine Aufklärungsarbeit leisten, dennoch berichtet er über eine Vor-Ort-Erfahrung, die ihn nachhaltig bedrückt.
In Tinka, einem kleinen Ort in Siebenbürgen unweit der ungarischen Grenze, hat er einen von Roma bewohnten Straßenzug besucht. Winzige Unterkünfte für 200 Menschen, keine sanitären Anlagen, Müll, Krankheiten... „Die Menschen waren zu schwach, um zu betteln.“ Sein Fazit: „Der Anti-Ziganismus treibt die Menschen zur Flucht.“
Bildungs- und Strukturfonds
Für zugewanderte EU-Bürger aus Südosteuropa wünscht er sich einen Bildungsfonds und einen Strukturfonds. Er will kleine Vereine unterstützen, die im Quartier für Integration arbeiten.
Apropos, unterstreicht er bei diesem Stichwort: „Auch zur Integration gehören immer zwei. Die Mehrheitsgesellschaft und die zu Integrierenden.“
Bildung ist der Schlüssel für ein besseres Leben
Wie schwierig das trotz niederschwelliger Hilfsangebote ist, davon können Venetia Harontzas und das Lalok-Team ein Lied singen. Harontzas erzählt von der Großfamilie, die aus einer Schrottimmobilie ausgezogen ist und mit Hilfe des Jobcenters eine angemessen große Wohnung bekam – und immer noch in nur zwei Zimmern lebe.
„Weil sie es nicht anders kennen.“ Sie berichtet, wie mühsam es ist, den Kindern immer wieder einzuschärfen, dass es für den Müll Behälter gibt. Aber: Irgendwann mache es „klick“.
Bildung, da sind sich alle Beteiligten einig, ist der Schlüssel für ein besseres Leben. Der Europa-Politiker sieht in der Zuwanderung große Chancen für den demograffischen Wandel. „Das kann aber nur gelingen, wenn man die Menschen, die hierher kommen, auch ernst nimmt.“