Gelsenkirchen. . Kabarettist und Comedian Dieter Nuhr kommt in die Emscher-Lippe-Halle. Ein Gespräch über Gelsenkirchen, Humor und die aktuelle Weltenlage.
Auf dem Bildschirm ist Kabarettist Dieter Nuhr häufig zu Gast. Jetzt kommt der 57-Jährige live auf die Gelsenkirchener Bühne. Vor seinem Auftritt am 5. Oktober in der Emscher-Lippe-Halle sprach WAZ-Redakteurin Elisabeth Höving mit dem Künstler über Humor, die aktuelle Weltenlage, über Themen und juristische Nachspiele.
„Nuhr hier, nur heute“ heißt Ihr aktuelles Programm. Nuhr gibt’s aber nicht nur heute in Gelsenkirchen. Kommen Sie gerne zurück?
Sicher! Gelsenkirchen ist vielleicht nicht der schönste Kurort Deutschlands, aber trotzdem bin ich immer wieder gerne da, wegen der Luft und der Menschen. Außerdem hatte ich mich daran gewöhnt, regelmäßig dort aufzutreten. Dann stand die Emscher-Lippe-Halle plötzlich nicht mehr zur Verfügung. Ich habe mich deshalb vier Jahre lang einfrieren lassen und abgewartet. Nun ist sie wieder offen. Da war mich klar, dass ich mich wieder auftauen lassen kann. Und schwupps, da bin ich wieder.
Diagnose: Deutsche neigen zu Dauerhysterie
Nur hier und nur heute klingt ein wenig nach Einmaligkeit. Sind Sie bei Ihren Auftritten komplett durchgetaktet oder improvisieren Sie auch?
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Das Programm ist etwa ein Jahr alt, aber auch schon etwa zur Hälfte ausgewechselt. Die Themen wechseln heute so schnell, dass man kaum noch zwei Abende dasselbe spielen kann. Gott sei Dank neigt der Deutsche ja zur Dauerhysterie. Die Welt geht hier ständig unter, bloß die Ursachen wechseln. Mal ist es Gammelfleisch, mal Stickoxid oder Flüchtlinge. Der Deutsche braucht dieses Gefühl, dass das Ende nah ist. Da gehen die Themen nicht aus.
Comedy ist modern und massentauglich, Kabarett politisch und intellektuell. Wo sehen Sie sich mit Ihrem Programm?
Da stimmt Ihre Analyse mit meiner nicht ganz überein. Ich kenne hochintellektuelle Comedy und extrem dummes Kabarett. Jeder Trottel kann heute Kabarett aufs Plakat schreiben, dann sagt er irgendwas mit Kapitalismus, Monsanto und Merkel. Und schon denken andere Trottel: „Aha! Ein Intellektueller!“ Ich mag mich mit diesen Genreklischees nicht auseinandersetzen. Ich versuche lustig zu sein, also ist es Comedy. Und ich versuche, etwas Relevantes über unsere Zeit vorzutragen, also ist es Kabarett.
Über den Irrglauben: Früher war alles besser
Mit welchen Themen setzt sich der aktuelle Abend auseinander?
Es handelt sich um eine bislang unbekannte Form der Massentherapie. Ich analysiere die Gegenwart und heile die Menschen von dem Irrglauben, es sei noch nie so schlimm gewesen wie heute. In Deutschland glaubt man immer, dass es früher besser war. Früher aber war das Klo im Treppenhaus, es gab keine Antibiotika oder man überfiel die Nachbarn mit dem Panzer. Ich lebe lieber heute.
Was an der Weltenlage beschäftigt Sie derzeit besonders?
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Dass alle zu allem eine Meinung haben. Das bewundere ich auch ein bisschen. Alle wissen so genau Bescheid! Und alle wollen die Welt retten! Die einen kämpfen für den Erhalt der deutschen volksgenössischen Genetik, die anderen für das Überleben des Hambacher Forstes. Natürlich geht es in beiden Fällen nicht um höhere Ziele, sondern um die Heroisierung des kämpfenden Ichs!!! Der deutsche ist Romantiker und zieht immer noch gerne in den Krieg für seine Ideale! Es ist glaube ich die Selbststilisierung der Menschen als Weltenretter und die grassierende Hysterie, die mich beschäftigt.
Welche Themen sind für Sie auf der Bühne tabu?
Keine. Außer die, zu denen mir nichts einfällt.
Hohes Gut: Freie Meinungsäußerung
Was ist mit dem Islam? Es gab mal ein Ermittlungsverfahren gegen Sie wegen kritischer Äußerungen, das dann eingestellt wurde.
Ich wurde mal angezeigt. Ja. Aber da wir in einem Rechtsstaat leben, darf das jeder machen, der zuviel Zeit und Geld hat. Man hätte mich auch anzeigen können wegen mutwilliger Vernichtung eines Brathähnchens durch Essen. Dann stellt ein Jurist fest, dass das Essen eines Brathähnchens nicht verboten ist. Und dann wird man freigesprochen. Das ist in Ordnung so.
Hatte der Wirbel Einfluss auf Ihre Arbeit, sind Sie vorsichtiger geworden?
Nein.
Gibt es auch Nachrichten, Ereignisse, die Sie schlicht sprachlos machen
Immer, wenn aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird. Also täglich. Dann ringe ich um Worte. Und dann geht es meistens wieder.
Live-Auftritt ist die erste Wahl
Bühne oder Fernsehen, live oder Aufzeichnung?
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Mach ich alles gern. Die Abwechslung ist wichtig. Im Fernsehen erreicht man mehr Leute, live ist aber besser.
Reagieren Sie auf das jeweilige Publikum, spüren Sie, was funktioniert, was sich als Rohrkrepierer erweist?
Ja, natürlich. Auf der Bühne zu stehen und zu erzählen, ist ja beidseitige Kommunikation. Wenn nicht verstanden wird, wie man es gemeint hat, sollte man umformulieren, kein Problem.
Dieter Nuhr privat, hilft Ihnen da auch schon mal Lachen über Probleme hinweg? Sind Sie ein Spaßvogel, worüber können Sie herzhaft lachen?
Ich lache eigentlich ständig, außer auf Beerdigungen. Ich empfinde das Leben als absurden Vorgang, habe aber noch keine Alternative gefunden, die besser wäre. Ich arbeite daran und sage Bescheid, wenn ich etwas gefunden habe.
Der Nuhr-Auftritt in Gelsenkirchen
Karten für die Veranstaltung der Emschertainment GmbH gibt es im Vorverkauf zwischen 25 und 34,90 Euro. Infos: 0209 95430 oder online unter www.emschertainment.de