Gelsenkirchen-Buer. . Schulvermeider sind in der Regel nicht zu faul, sondern haben Angst, aus verschiedensten Gründen. In der Tagesklinik in Buer wird ihnen geholfen.
Dr. Marion Kolb spricht bewusst von Schulvermeidern, wenn sie über ihre Patienten spricht. Die neue Leiterin der Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie weiß, dass es bei ihnen nicht darum geht, dass sie nicht lernen wollen.
Hintergrund der Schulvermeidung ist Angst
Hintergrund der Schulvermeidung ist bei ihnen vielmehr Angst. Bei den einen Angst vor der Schule, Klassenkameraden, die sie gemobbt haben, oder vor Lehrern, die ihren Leistungsabfall oder Defizite wie Konzentrationsstörungen bemerken. Bei anderen sind Trennungsängste eine Ursache.
Das kann Angst um ein Elternteil sein, wenn Eltern sich extrem streiten etwa. Oder wenn ein Elternteil psychische Probleme hat. Oder wenn sich außer der 12-Jährigen niemand um die kleineren Geschwister kümmern kann, weil Mutter oder Vater zu krank sind.
„Schulvermeidung ist keine Diagnose, sondern in aller Regel eine Begleiterscheinung,“ erklärt die Fachärztin, die zum 1. September aus Wesel, wo sie unter anderem eine Schulvermeider-Sprechstunde etablierte, nach Buer wechselte.
Oft ist es ein Teufelskreis
„Die Kinder und Jugendlichen, die zu uns kommen, sind zum Teil schon viele Monate nicht mehr zur Schule gegangen. Viele haben keine Sozialkontakte, wagen kaum noch, das Haus zu verlassen. Nicht mal, um zum Bäcker zu gehen. Und das wird immer schlimmer. Manche sitzen dann nur noch vor dem PC und futtern, werden auch noch adipös. Es ist ein Teufelskreis,“ beschreibt die Fachärztin die Entwicklung.
In der Tagesklinik werden die Patienten, die oft von Bauchschmerzen, Reizdarm, Übelkeit und zahlreichen anderen somatischen Problemen gequält werden, in drei Gruppen von einem Team aus verschiedensten Fachdisziplinen betreut.
Während der bis zu acht Wochen, die sie in der Klinik verbringen, besuchen sie die Schule für Kranke, die Kontakt mit den Regelschulen hält und in sehr kleinen Gruppen unterrichtet. Ein „Luxus“, den die Regelschulen einfach nicht bieten können, der für diese Patienten aber extrem wichtig ist.
Eltern mit in die Therapie einbezogen
Wer in die Tagesklinik kommt, hat in der Regel schon ambulante Therapien hinter sich. Der Vorteil gegenüber einer stationären Therapie ist hier, dass die Heranwachsenden abends in ihr normales Umfeld zurück können. Eltern werden in die Therapie einbezogen soweit irgend möglich. „Eltern sind als Bezugspersonen Experten für ihr Kind, ihre Kooperation ist für den Therapieerfolg entscheidend“, erklärt Marion Kolb. Und bei stationären Klinikaufenthalten fern vom Wohnort sind Eltern oft mit Besuchen überfordert.
„Wir spielen mit Eltern und kleineren Kindern, die ihr Problem noch nicht benennen können, zum Beispiel im Sand, wir filmen und analysieren das. Da kann man sehr gut erkennen, wo Probleme sind,“ erklärt Psychologe Thomas Schebaum-Stein die Arbeitsweise.
Bei Pubertierenden kann es die Planung einer gemeinsamen Wochenendunternehmung mit Eltern sein, die Knackpunkte ans Licht bringt. Aber auch andere „Baustellen“ können in der Tagesklinik erkannt werden. Eine unbekannte Lese-Rechtschreib-Schwäche etwa oder ein anderer, bislang unbekannter Förderbedarf.
„Wir hatten ein Mädchen, das der Schule verwiesen wurde, weil es einen Lehrer in die Hand gebissen hatte. Es stellte sich heraus, dass das Kind Autistin war“, nennt Thomas Schebaum-Stein ein Beispiel.
Ein Therapiehund gehört zum Team
Das Haus ist räumlich und auch von der Ausstattung her gut aufgestellt. Ein großer Garten, Spiel-, Gesprächs-, Ruhe-, Entspannungs- und Kreativräume bieten zahlreiche Möglichkeiten, auf Bedürfnisse der jungen Patienten einzugehen. Auch ein Therapiehund gehört zum Team.
Um Schulvermeidern den Weg zurück in ihre Schule so gut wie möglich ebnen zu können, arbeitet das Team eng mit Lehrern, Jugendamt, niedergelassenen Therapeuten und Kinderärzten zusammen. Erfahrungsgemäß schaffen es mehr als die Hälfte der Patienten, nach der Tagesklinik wieder zur Schule zu gehen.
Trotz bevorzugter Aufnahme von Schulvermeidern gibt es eine Warteliste für die insgesamt 18 Plätze in der Tagesklinik. Für die Aufnahme bedarf es einer Überweisung vom Kinderarzt oder einem Kinder- und Jugendpsychiater. Informationen erteilt das Sekretariat unter 0209 369 364.