Gelsenkirchen-Ückendorf. . Der Verein Lavia e.V. zieht ins alte Gebäude am Gelsenkirchener Südfriedhof. Denkmalschutz verzögerte Renovierungs- und Umbauarbeiten.

Es war einmal. . . der zufriedene Besitzer einer vor sich hin gammelnden Immobilie an disponierter Stelle, in dessen Fantasie schon die Abrissbirne rumpelte. Zufrieden war er dennoch, weil er einen ambitionierten und hervorragend geeigneten Mieter fand: Hausbesitzer Gelsendienste und Förderverein Lavia e.V. wurden sich rasch einig und stellten ihr Konzept für die neue Nutzung des alten Gärtnerhauses am Haupteingang des Südfriedhofes im Mai 2016 vor.

Und dann passierte. . . erst mal nichts Sichtbares an der Günnigfelder Straße 88. Denn mit den Umbauanträgen kam der Denkmalschutz auf den Plan. Und plötzlich erlebte der marode Bau den ungeahnten Aufstieg zum Denkmal. Zweieinhalb Jahre strichen ins Land – und nun wird das Märchen vom alten Haus im Dornröschenschlaf wahr. Mit Abstrichen allerdings. So ist etwa das „Turmzimmer“, auf das sich die jungen Leute, die mit Mechthild Schroeter-Rupiepers Hilfe lernen, mit dem Tod eines geliebten Menschen umzugehen, nicht zur Benutzung freigegeben. Treppe zu steil, ein Teil des Bodens nicht geeignet, keine zusätzliche Brandschutztreppe ins Freie. . .

Dennoch, die Handwerker haben hier ganze Arbeit geleistet, haben das äußerlich einst mausgraue Haus hell getüncht, die Innenräume im Erdgeschoss komplett saniert, das ehemalige Sarglager zu einem heimeligen Ort umgebaut, tragendes Holzgebälk freigelegt, den Garten hergerichtet. 300 000 Euro hat Gelsendienste investiert. Mieter Lavia e.V. refinanziert die Kosten für die 130 Quadratmeter Nutzfläche über einen langfristigen Mietvertrag.

Andreas Bucksteeg.
Andreas Bucksteeg. © Sabrina Didschuneit

Ein Stück vom Himmel

Auf den Punkt gebracht: Dieses Haus ist einfach schön geworden. Was auch an vielen liebevollen Details liegt, für die Chefin des Instituts für Familientrauerbegleitung Lavia und „Untermieterin“ Mechthild Schroeter-Rupieper mit dem Förderverein um den Vorsitzenden Andreas Bucksteeg gesorgt haben.

Da wäre etwa im Flur gleich ein Stück vom Himmel unter der Decke und die kleinere Ausgabe des Sekundenbilds von Claus Maywald an der Wand: 86 400 Zeilen markieren die Sekunden eines Tages – oder die Zeit des Lebens. Es folgt die Küche mit dem großen Esstisch, das Büro, das gemütliche Wohnzimmer mit dem alten Bühnenklavier, einem Geschenk des Musiktheaters im Revier, der Garten – jetzt ohne Goldfischteich – und dann das alte Sarglager, an das fast nichts mehr erinnert.

© Sabrina Didschuneit

Fast. Hochkant steht dort ein einfacher Holzsarg, der Deckel seitenverkehrt ins Unterteil gesteckt und fast zur Hälfte von einer gemalten Sonne dominiert. „Damit Mama mehr Licht hat“, habe ein Kind dazu gesagt, erzählt Mechthild Schroeter-Rupieper. Das ist eine dieser Geschichten, bei der sich jede Pore zur Gänsehaut formiert. Dabei wollte man diesen Raum ursprünglich gar nicht nutzen. Andreas Bucksteeg schmunzelt. „Aber dann kam die Verhinderung der Dachnutzung.“ Und plötzlich gewann das alte Sarglager an Bedeutung.

Mit dem Schicksal umgehen lernen

Helena (18), die ihren Vater vor dreieinhalb Jahren verloren hat, erzählt, was es mit dem roten Herz aus Holz und seiner blauen Rückseite auf sich hat. „Mechthild erzählte uns, alles, was man liebt, trägt man im Herzen. Und wenn man einen Elternteil oder Geschwister verliert, ist die Trauer so groß, dass das Herz bricht.“ Helena teilt das Herz in der Mitte, dreht die beiden Teile um, sagt: „Dann fließen Tränen.“ Das Herz wachse wieder zusammen (die Symbolik klappt dank winziger Magneten an den Schnittstellen), „aber es behält Narben“.

Die 18-Jährige ist ein fröhlicher Mensch, lacht gerne. Das tut sie auch, als sie erzählt, wie sie nach dem Tod des Vaters zu Lavia kam. „Meine Mama hat gesagt: Entweder du gehst zum Psychologen oder du gehst zur Mechthild.“ So und ähnlich erging es auch Carla (18), deren Schwester vor fünf Jahren starb, oder Vicky (23), die 2010 Vater und Mutter verlor. Mechthild Schroeter-Rupieper lud sie nicht nur ein – sie besuchte sie zu Hause, holte sie in ihrer Trauer ab. Längst sind die jungen Frauen ein Teil der großen Lavia-Familie, die sich jetzt im aufgeblühten alten Gärtnerhaus niederlässt.

>> Einweihung Ende August

Das neue Lavia-Haus an der Günnigfelder Straße 88 wird am Freitag, 31. August, eingeweiht. Morgens ab 10 Uhr beginnt der offizielle Part mit Gästen aus der Stadtgesellschaft, ab mittags steht das Haus Besuchern offen. Information über Lavia und den Förderverein Lavia e.V. auf:
www.familientrauerbegleitung.de