Gelsenkirchen. . 2017 zählte Gelsenkirchen 347 000 Übernachtungen. Die meisten kommen aus den Niederlanden, Belgien, Großbritannien – und manche auch aus Siegburg.

„Ich fahr’ doch nicht mit 180 Leuten nach Gelsenkirchen, um dort in den Zoo zu gehen“: Groß war der Vorbehalt, als Josef Lehnen, stellvertretender Vorsitzende des Personalrats des Finanzamtes Siegburg, den Betriebsausflug der Behörde plante und eine Kollegin als mögliches Ziel die Zoom-Erlebniswelt genannt hatte. Der Vorschlag wurde verworfen, noch einmal hervorgekramt, begutachtet und am 31. Mai in die Tat umgesetzt.

„Wir konnten am Anfang mit Gelsenkirchen gar nichts anfangen“, gesteht Josef Lehnen. Nach dem gemeinsamen Frühstück im Biergarten des Nordsternparks, nach Stadtrundfahrt, Arena-Besuch und Fahrradtour lautet sein Fazit: „Es war traumhaft schön.“ Dass Gelsenkirchen mit Nummer 401 den letzten Platz belegte in der jüngst vom ZDF vorgelegten Statistik zur Lebensqualität in deutschen Städten und Kreisen, kann Lehnen überhaupt nicht verstehen.

Übernachtungszahl gestiegen

Der schlechten Platzierung zum Trotz, ist Gelsenkirchen ein beliebtes Touristenziel. Markus Schwardtmann: „Im vergangenen Jahr haben wir in Gelsenkirchen 347 000 Übernachtungen gezählt.“ Eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren. 2009 waren es nur 256 000 Übernachtungsgäste. Im vergangenen Jahr reisten 5400 Besucher aus den Niederlanden, 2800 aus Belgien und 2300 aus Großbritannien an. Jeweils rund 1000 Gäste kamen aus Österreich, der Schweiz, China und den Vereinigten Staaten.

„Schloss Berge ist wahnsinnig schön“

Zu den Gelsenkirchener Hoteliers gehört Klaus Geißler. Den gebürtigen Österreicher hatte es nach Worpswede verschlagen, als er und seine Familie beschlossen, es in Gelsenkirchen zu versuchen. Seit 14 Jahren betreibt er das Hotel und Restaurant im Schloss Berge, „eine wahnsinnig schöne Anlage“, wie er findet. Auch er musste sein Vorurteil, dass hier alles grau in grau sei, über den Haufen werden: „Schloss Berge, Schloss Westerholt, Schloss Wittringen, Haus Lüttinghof: Hier ist ja ein Schloss neben dem anderen, wie in Österreich.“ Es seien vor allem Geschäftsreisende, die Schloss Berge beherberge, dazu Gäste, die wegen der Fußballspiele und der Konzerte nach Gelsenkirchen kämen. Klaus Geißler: „Hier wird ihnen was geboten.“

Gäste bleiben meist zwei bis drei Tage

Ähnlich sieht es auch Jochen Rönisch, Hotel-Manager des Maritim im Stadtgarten, der neben Geschäftsreisenden auch zahlreiche touristische Gäste aus Deutschland, den Niederlanden und Belgien begrüßen kann. Es seien die verschiedenen Arrangements mit Hotelaufenthalt und Besuchen im Zoom, Moviepark und Sealife, die nach Gelsenkirchen lockten.

Tourismus in Gelsenkirchen in Zahlen.
Tourismus in Gelsenkirchen in Zahlen. © Denise Ohms

Zwei, drei Tage blieben sie in der Stadt und nähmen beste Eindrücke mit nach Hause. Dazu zählt er die Nähe zum Stadtgarten, die Joggingrunde um den Teich, die Nähe zu den attraktiven Zielen im Ruhrgebiet. Auch er musste zu Beginn seiner Dienstverpflichtung nach Gelsenkirchen gegen Vorbehalte ankämpfen: „Kollegen haben mich damals gefragt, ob die Kohlenhalden in Gelsenkirchen tatsächlich bis in die Hotelhalle reichten.“

Ein Gelsenkirchener aus Überzeugung

Ganz bewusst habe er seinen Lebensmittelpunkt nach Gelsenkirchen verlegt, um ein Gefühl für die Stadt und die Region zu bekommen. Und hat in den vergangenen sieben Jahren immer wieder Freunde und Bekannte nach Gelsenkirchen eingeladen, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. „Ich bin absoluter Gelsenkirchener geworden“, sagt er aus Überzeugung und ärgert sich natürlich über die ZDF-Statistik. Und mindestens genau so „über Gelsenkirchener, die Gelsenkirchen schlecht reden“.

Eine spürbare Aufbruchstimmung

Da müssen also 180 Finanzbeamtinnen und -beamte aus dem nahen Rheinland anreisen, um auf die schönen Seiten dieser Stadt zu verweisen, „auf die Aufbruchstimmung, die wir in der Stadt gespürt haben und uns alle so begeistert hat“, um noch einmal Josef Lehnen zu zitieren. Gefragt, wo Gelsenkirchen in Bezug auf Lebensqualität anzusiedeln sei, sagt Lehnen zunächst mit einem ironisch-fragenden Unterton: „Unter den ersten zehn Plätzen...?“ Nach kurzem Zögern fügt er ernst hinzu: „Auf jeden Fall um Platz 50.“ Dass es nur für Platz 401 gereicht hat, will er nicht glauben: „Das kann ich so nicht nachvollziehen.“

Themenpakete sind nachgefragt

Ähnlich wie im Maritim-Hotel werden bei der Stadt- und Tourist-Info im Hans-Sachs-Haus maßgeschneiderte Themenpakete nachgefragt.
Markus Schwardtmann: „Wir sind gerade dabei, vier Pakete mit Empfehlungen für einen Gelsenkirchen-Besuch zusammen zu stellen für Gäste aus Manchester.“