Gelsenkirchen. Justizvollzugsanstalt in der Feldmark hat Platz für 617 Häftlinge. Aktuell sind 630 Verurteilte an der Aldenhofstraße untergebracht.

Viele Gefängnisse in Nordrhein-Westfalen können kaum noch neue Häftlinge aufnehmen. Das geht aus einer Auswertung des Justizvollzugs hervor. Demnach sind mit Stand Mitte Januar die Justizvollzugsanstalten (JVA) in Bielefeld-Brackwede, Dortmund, Duisburg-Hamborn, Hagen, Hamm und Kleve überbelegt – und auch Gelsenkirchen.

Auslastung bei 102 Prozent

Die Haftanstalt an der Aldenhofstraße in der Feldmark verfügt offiziell über eine Belegungskapazität von 617 Häftlingen. „Aktuell sitzen bei uns 630 rechtskräftig Verurteilte ihre Strafe ab“, sagt die leitende Regierungsdirektorin Elisabeth Nubbemeyer. Demnach liegt die Auslastung bei 102 Prozent.

Abhilfe durch Zusammenlegungen

Improvisieren ist da angesagt. Die JVA verfügt über Einzel- als auch über Zwei- und Drei-Mann-Zellen. Um die Überbelegung in den Griff zu bekommen, „bilden wir Gemeinschaften von Häftlingen, sagt die 55-jährige Anstaltsleiterin. Das klapp auch meist ganz gut, ist aber kein ganz so einfaches Vorhaben. Denn nicht jeder Gefangene passt als Zimmergenosse zum anderen. Das Spektrum, auf das die Beamten im Justizvollzug achten müssen, ist daher breit: Straftat, Alter, Herkunft, Religion Hygiene, Suchtproblem, Raucher oder Nichtraucher und so fort – einen verurteilten Mörder mit einem Taschendieb zusammenzulegen, das geht eben nicht.

Jede Menge Konfliktpotenzial

Ohnehin bergen viele Menschen auf engen Raum einiges Konfliktpotenzial, Elisabeth Nubbemeyer hat allerdings bislang nicht festgestellt, dass damit auch ein Anstieg von Übergriffen oder Schlägereien einher gegangen ist – das sei auch ein Verdienst der sehr wachsamen JVA-Bediensteten. „Die Gefangenen melden sich ohnehin meist von sich aus, wenn es untereinander nicht passt“, sagt sie. Und es werde so weit es geht, auch niemand dazu gezwungen, sich eine Zelle mit anderen zu teilen.

Im Zweifelsfall, berichtet die JVA-Chefin weiter, zückt man Option Nummer zwei: die Verlegung von Häftlingen in andere Anstalten. Im vergangenen halben Jahr sind so auf diesem Wege 20 bis 30 Häftlinge in nahe Gefängnisse umgezogen – nach Bochum, Geldern oder Remscheid. Aber auch hier gibt es das Problem der Freiwilligkeit.

Erweiterung ist derzeit nicht geplant

Drängt sich die Frage auf, ob die Möglichkeit besteht, die Kapazitäten an der Aldenhofstraße in der Feldmark auszuweiten. Nach Auskunft des Justizministerium NRW „ist eine Erweiterung baulich möglich, derzeit aber noch nicht geplant.“

Die Krux dabei: Die Engpässe bei den Haftplätzen „sind ein landesweites Problem“, wie Nubbemeyer betont, der Verschiebebahnhof ist damit praktisch immer aktiv.

Übergabe der neuen Sotha gegen Ende 2019

„Wir ziehen aus Gelsenkirchen nur ungern weg“, sagt Alwin Molitor. Der 61-jährige Regierungsdirektor leitet die Sozialtherapeutische Anstalt Gelsenkirchen (Sotha), eine Einrichtung für Sexual- und Gewaltstraftäter. Als „Entlassanstalt“ bereitet die Sotha Häftlinge sowohl therapeutisch sowie durch Ausbildung und Arbeit gezielt auf ein Leben in Freiheit vor. Aber: Das Gebäude ist marode. Der Umzug nach Bochum nach mehr als 40 Jahren ist beschlossene Sache, dort wird die neue Anstalt gerade errichtet – nach Fertigstellung erneut unter der Leitung von Alwin Molitor.

Im November 2017 gab es den ersten Spatenstich für den 74 Millionen Euro teuren Neubau nahe des VfL-Stadions. „Die Arbeiten gehen zügig voran“, sagt Molitor, das Erdgeschoss des Hafthauses stehe schon.

Neue Anstalt hat 80 Plätze

Geplant ist die Übergabe des mit 80 Plätzen (zwei davon behindertengerecht) deutlich größeren und moderneren Gebäudes für Ende 2019. Danach, in etwa im Februar und März, wird das „nackte Gebäude“, damit meint Molitor Hafthaus und Werkstatt, möbliert, kurz darauf geht die Arbeit los.

Die Gelsenkirchener Sotha verfügt über 57 Plätze plus einem Reserveplatz, derzeit sind 56 belegt, ein Insasse wurde vergangene Woche verlegt. Eine Überbelegung gibt es aufgrund des Aufgabenspektrums nicht.

>> Belegungsspitzen im Frühjahr und Herbst

Ab einer Belegungsquotevon 90 Prozent gilt ein Gefängnis als voll. NRW-weit gibt es 36 Anstalten. Kapazität: über 18 000 Plätze. In Dortmund sitzen derzeit 426 Insassen ein, obwohl die Haftanstalt nur 405 Plätze hat. Die Anstalt Duisburg-Hamborn zählt 322 Insassen bei 311 regulären Plätzen. Belegungsspitzen gibt lautJVA-Leiterin Elisabeth Nubbemeyer oft im Frühjahr und Herbst.