Gelsenkirchen. . Im Internet stießen Susanne Loke und Pfarrerin Zuzanna Hanussek auf die Doktorarbeit von Nils Dahl. Auch er forschte an diesem Thema – in Japan.

Kodokushi, einsamer Tod, ist der ebenso schlichte wie tiefgründige Titel der Doktorarbeit von Nils Dahl. Der Japanologe aus Bonn und wissenschaftliche Mitarbeiter der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität hat sich mit lokalen Netzwerken gegen Japans einsame Tode beschäftigt. Über das grenzenlose Internet entdeckten ihn Pfarrerin Zuzanna Hanussek und Susanne Loke, Expertin auf dem Gebiet der sozialen Inklusion.

Kontakt kam via Internet zustande

Unentdeckte Todesfälle beschäftigen alle Drei – und so kam der Kontakt schnell zustande. Dahl, der, wie er sagt, „ein persönliches Interesse an diesem Thema“ habe, hat in Japan einen erstaunlich offenen Umgang mit dem einsamen Tod erlebt. „Das einsame Sterben wird diskutiert“, sagt er. Wohl nicht von ungefähr, denn „von Regierungsseite gibt es Handbücher, die Modelllösungen vorschlagen“. So würden etwa lokale Wohlfahrtsnetze empfohlen. „Auf diesem Weg wird nun versucht, die Freiwilligenarbeit zu forcieren.“

Im Sozialraum unbemerkt Verstorbener unterwegs

Das Thema einsamer, unentdeckter Tod verbindet sie (v.l.): Susanne Loke, Nils Dahl und Zuzanna Hanussek.
Das Thema einsamer, unentdeckter Tod verbindet sie (v.l.): Susanne Loke, Nils Dahl und Zuzanna Hanussek.

Zuzanna Hanussek, die sich seit annähernd zehn Jahren mit anonymen Todesfällen und langen Liegezeiten beschäftigt und gemeinsam mit einem katholischen Amtskollegen regelmäßig ordnungsbehördliche Bestattungen in Würde durchführt, meint mit Blick auf den Umgang der Japaner mit dem einsamen Tod: „Dadurch bekommt das Thema eine andere Wertigkeit.“

In der deutschen Gesellschaft sieht es dagegen noch anders aus, wie die Wattenscheiderin Susanne Loke bei ihrer Forschungsarbeit immer wieder feststellen musste. Sie ist im nahen Sozialraum unbemerkt Verstorbener unterwegs, sucht das Gespräch mit Nachbarn, erfährt dabei nicht selten, dass auch die oft ihre eigenen Probleme haben oder selbst sozial isoliert sind. Loke hat dafür eine traurige Bezeichnung: „Einsamkeit, die unentdeckte Krankheit“.

Akteneinsicht zu Forschungszwecken beantragt

In Gelsenkirchen und Aachen sowie beim zuständigen NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft hat sie einen Antrag auf Einsicht in die Sterbeurkunden zwischen 2006 und 2016 gestellt. Ihre Städtewahl hat einen Grund: „Sie haben eine vergleichbare Größe aber soziale Unterschiede.“ Mit der Stadt Aachen hat sie bereits einen Termin vereinbart – vier Tage Aktenstudium... Das Gelsenkirchener Standesamt habe ihr mitgeteilt, man wolle erst den Bescheid des Ministeriums abwarten.

Wattenscheiderin arbeitet an ihrer Dissertation

Keine Forschungsgrundlage trotz der Brisanz dieses Themas: Vor diesem Hintergrund hat sich Susanne Loke schon vor über drei Jahren an das Lehrforschungsprojekt „Unentdeckte Tode“ gemacht, sich mit den Hintergründen des Lebens und Sterbens einer Gruppe unentdeckt Verstorbener in Gelsenkirchen befasst. Den Anstoß dazu gab Pfarrerin Zuzanna Hanussek, die beim evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen-Wattenscheid das Referat Altern leitet. Der Forschungsarbeit lag die Frage zu Grunde: Gibt es in Lebenslage und Sozialraum unentdeckt Verstorbener Gemeinsamkeiten? Susanne Loke bleibt am Ball – jetzt für ihre Dissertation.

>> Info: Regelmäßige Bestattungen

An jedem ersten und dritten Dienstag im Monat zelebrieren Pfarrerin Zuzanna Hanussek und der katholische Pfarrer i.R. Hermann Zimmermann auf dem Hauptfriedhof in Buer ordnungsbehördliche Bestattungen.

  • Treffpunkt ist um 12 Uhr an der Trauerhalle, die Beisetzungen erfolgen auf einem Urnengrabfeld am Rand des Friedhofs.