Buer. . Der geheimnisvolle Filmclub bewahrt schräge Kinoschätze und trashige Film-Zeitzeugnisse vor dem Vergessen – und zeigt sie in der Schauburg.
Sie tragen Titel wie „Die Pagode zum fünften Schrecken“, „Schlock, das Bananenmonster“ oder „Das Haus der lebenden Leichen“ – Celluloid gewordener Schund, der jeden Fernseher vor Schmerz implodieren lassen würde. Doch der geheimnisvolle Filmclub in Buer sieht in diesen Filmen eine Kunst, die es heute kaum noch gibt. Zu Recht. Diese Machwerke sind auch Zeitzeugnisse. Zu sehen sind sie einmal im Monat in der Schauburg.
„Buio Omega“ nennt sich der Orden. Benannt hat er sich nach einem Film des berüchtigten italienischen Regisseurs Joe d’Amato aus dem Jahr 1979. In Deutschland lief er unter dem reißerischen Titel „Sado – Stoß das Tor zur Hölle auf“. Zu sehen war er in den Bahnhofskinos.
Die werden immer weniger, und auch Filme wie „Heroin im Frauenlager 2“ oder „Bienenstich und Disco-Fieber“ drohen in Vergessenheit zu geraten. Damit das nicht passiert, auch das war ein Grund, warum sich Buio Omega vor 19 Jahren gegründet hat.
Schräge Regiearbeiten in Hülle und Fülle
Experten nennen es „Trash“, „Exploitation“ oder einfach „Bad Taste“. Und genau hier wird es knifflig. Es kann von gutem Geschmack zeugen, schlechte Filme zu verehren, sie zu sammeln, das Besondere aus ihnen herauszukitzeln. Sollte der Kultursender Arte, der ja ein Herz für schräge Regiearbeiten hat, mal in Versorgungsverlegenheiten für die nächste Kultreihe kommen: In Buer würde er fündig.
„Es war der Wunsch, unser Kino im Kino zu sehen“, erinnert sich Jörg Michael Jedner an die Gründungsidee von Buio Omega. Der 49-Jährige ist ein Filmfreak – wie seine Freunde, die Brüder Ingo und Olaf Strecker. Der Wunsch ging in Erfüllung, mit Hilfe von Michael Meyer, der neben den Apollo Cinemas auch die Schauburg betreibt. Auch er hat ein Herz für den eigenwilligen Geschmack von Buio Omega. An jedem dritten Samstag im Monat stellt er dem Club dieses wunderschöne, 1929 erbaute Kino zur Verfügung. Dann laufen ab elf Uhr zwei Filme als Doppelpack – im großen Saal.
Als sich die drei Freunde vor bald zwanzig Jahren einen kultigen Jungsabend machten und sich den Film „Zombies unter Kannibalen“ ansahen, machten sie diese „Entdeckung der Frechheit“, die sich hinter scheinbarem Müll verbirgt, sagt Ingo Strecker. Es sind vorwiegend Filme aus den 1950er- bis 1980er-Jahren, die der Club hortet und sammelt. „Da steckt viel von dem Gefühl der Zeit drin“, sagt der 48-Jährige. „Atombombe, Kalter Krieg – reale Bedrohungen haben ihre Spuren in solchen Filmen hinterlassen.“
Ein Regenwurm als Schauspieler
Manche Filme würde man nicht unbedingt im Archiv des Clubs vermuten. Neben viel Trash findet sich zum Beispiel auf „Der Mann, der vom Himmel fiel“, ein Meisterstück von Nicolas Roeg aus dem Jahr 1975 mit David Bowie selig in der Hauptrolle. Und daneben gleich wieder ein Höhepunkt deutschen Filmschaffens: „Lass jucken, Kumpel.“ Doch halt, nicht kratzen. „In diesem Film steckt viel Tragik“, erkennt Strecker.
Hunderte von Filmen lagern in einem wohl temperierten Schuppen, den die Stadt Gelsenkirchen Buio Omega freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Es sind klassische 35mm-Streifen, sie kommen in einen gigantischen, 100 Kilogramm schweren Projektor, einen Kinoton FP 30D, einen der letzten seiner Art.
Doch es wird immer schwieriger, an Material zu kommen. Auf Filmbörsen gebe es immer weniger verwertbare Werke. Es kam zuletzt vor, dass ein Mann aus Bayern eine Filmsammlung geerbt hat und sich an den Club gewandt hat. So etwas ist ein großer Glücksfall.
Welche Filme gezeigt werden, die Entscheidung darüber ist oft grenzwertig. Dann schauen sich einige Clubmitglieder den betreffenden Streifen an und diskutieren. Am Ende steht eine Mehrheitsentscheidung. „Wir bringen keine Pornografie oder Snuff“, sagt Strecker (als Snuff werden Filme bezeichnet, bei der Ermordungen gezeigt werden, die der sexuellen Stimulierung des Betrachters dienen sollen; der renommierte Regisseur David Cronenberg behandelte das Thema 1983 im Film „Videodrome“).
Preis für selbstgedrehten Film
Bei dieser Filmliebe liegt es nahe, dass die Jungs auch selbst Filme drehen. Haben sie schon gemacht. Der Kurzfilm „Wurm“ lief sogar auf einem Festival. „Wir gewannen einen Preis für die beste schauspielerische Leistung eines Regenwurms“, scherzt Strecker. Scherzt? Wie auch immer, es gibt auch ein Zivilleben neben dem Club. Man muss sein Leben bezahlen. Einen Film zu drehen, kostet Zeit und viel Geld.
Das Geld, das sie mit ihren monatlichen Filmvorführungen einnehmen, fließt entweder in Neuanschaffungen oder Ehrengäste. Denn Buio Omega genießt in der B-Filmwelt hohe Wertschätzung. Als letzten Ehrengast konnte der Club den großen Franco Nero begrüßen. Django zu Ehren wurden zwei seiner Filme gezeigt. Danach ging’s mit ihm auf Touri-Tour durchs Ruhrgebiet.
„Mögen Sie Tom Hanks?“
100 Mitglieder zählt der geheimnisvolle Filmclub, wie er sich selbst nennt, mittlerweile. Nur Mitgliedern sind die Filmvorführungen in der Schauburg vorbehalten. Neulinge werden einer harten Prüfung unterzogen. Sie müssen einen Bewerbungsbogen ausfüllen. Der enthält Fragen wie „Mögen Sie Tom Hanks?“ Geantwortet werden kann mit „Ja, sehr!“, „Ich verehre seine Kunst!“, „Kenne ich nicht!“ oder „Ich verabscheue ihn!“. „Wenn uns die Antwort gefällt, darf er eintreten“, sagt Jörg Michael Jedner. Buio Omega ist schon als solcher ein Gelsenkirchener Schatz, der sich zwar durchaus ernst nimmt, aber das ironische Augenzwinkern beherrscht. Buio – Stoß auf das Tor zum Kinoparadies.
>> Die nächste Raritätenschau steht an
Die nächste Vorstellung unter dem Motto „Kiffifi“ ist am heutigen Samstag, 17. März, 11 Uhr, in der Schauburg. Welche Filme gezeigt werden, ist stets geheim. Wer die Verwandten beerbt oder zufällig im eigenen Keller vergessen geglaubte Filmschätze findet und nicht weiß, was er damit anstellen soll: Es gibt Hilfe: Buio Omega freut sich über Neuzugänge. Kontakt: info@buio-omega.de; webmaster@buio-omega.de oder ticker@buio-omega.de