Gelsenkirchen-Ückendorf. . René Schiering eröffnete im Ückendorfer Kreativquartier „1Null7“ seine Lesetour. Er arbeitet schon an vielen weiteren Projekten.

Er wollte der Erste sein, das war ihm ein wichtiges Anliegen. Der Gelsenkirchener Autor und Musiker René Schiering gestaltete die allererste Lesung im Kreativquartier „1Null7 – das Zuhause“ an der Bochumer Straße. „Ich finde das Projekt sehr unterstützenswert“, sagt er über den Laden von Maik Rokitta, der dort Fotografien, Gemälde und andere Kunstwerke verkauft. „Hier ist alles selbst gemacht“, das mag Schiering und erweiterte jetzt mit seiner Lesung das kulturelle Angebot.

Selbstgemacht waren auch die Reibekuchen mit Apfelmus und die Schnittchen, mit denen die gut 20 Zuhörer in gemütlicher Atmosphäre begrüßt wurden. So bot das „1Null7“ den perfekten Rahmen für René Schierings Texte. Mitgebracht hatte er seinen erfolgreichen Debütroman „Ruhrpott-Köter“, die Fortsetzung sowie Kurzgeschichten, die alle eine Hassliebe zu seiner Heimat ausdrücken und die zugleich eine Hommage an den Kohlenpott sind.

Romane erzählen Geschichte eines Rückkehrers

Das Publikum war dem Autor bereits gewogen, als er die ersten Sätze gelesen hatte. Die Romane erzählen die Geschichte eines Rückkehrers, den es unfreiwillig wieder in seine Heimat verschlagen hat. Protagonist André blickt schonungslos auf die Stadt seiner Jugend, doch die Lacher und Applaus der Zuschauer zeigen: Trotz vieler schräger Vögel steckt viel Authentisches in den Texten. Darunter ein Vollproll mit Vokuhila, der an der Trinkhalle Biere und Jägermeister kauft. Aber auch ein Schulfreund, der die Lehre auf Zeche Hugo abgebrochen hat und jetzt seine Zeit mit Wasserpfeife, Gerichtsshows und Pornofilmen verbringt.

Sexfantasien beim Leichenschmaus

Je skurriler es wurde, desto mehr war Schiering in seinem Element, verstellte seine Stimme, wenn er unterschiedliche Charaktere sprechen ließ und trug ihre Dialoge in astreinem Ruhrdeutsch vor. So wirkten selbst schräge Szenen, als hätte der 40-Jährige sie sich nicht ausgedacht, sondern als Beobachter aufgeschrieben.

Hauptfigur André wären dagegen gerne viele dieser Szenen erspart geblieben. Etwa sein Fauxpas auf der Beerdigung seines drogensüchtigen Kumpels. Mit dessen Onkel Heini will er beim Leichenschmaus mithalten, verpackt aber die Herrengedecke schlecht und hat beim Anblick einer Bekannten plötzlich zügellose Sexfantasien. „Wat’n fein’n Kerl“, lobt Heini im Roman, noch bevor André den Kampf gegen Bienenstich, Bier und Schnaps verliert und sich kräftig erbricht. Im Publikum lachten Schierings Eltern mehrmals laut auf. Gibt’s Onkel Heini etwa wirklich? Das blieb an diesem Abend ein Geheimnis.

Zweites Album von „Ramblin’ René & the Stetson Five“

Das schmälerte für die Zuhörer das Kulturerlebnis allerdings nicht, auch, weil René Schiering seine Akustikguitarre griff und zwischendurch rockige Lieder sang, die „in meine fiktive Welt des Ruhrpott-Köters passen“. Dazu gehört „Geiler is schon“ von Marius Müller-Westernhagen.

Bald will der Gelsenkirchener wieder mit eigenen Stücken von sich reden machen. Seine Countryband „Ramblin’ René & the Stetson Five“ nimmt gerade in Eigenproduktion ihr zweites Album auf, „im Bunkerproberaum in Scholven“. Auf der Platte soll erneut eine Hommage an den Komponisten Ennio Morricone zu finden sein, die an kultige Westernfilme erinnert. Dass Musikvideos für die neuen Songs in Gelsenkirchen gedreht werden, ist Ehrensache für den bekennenden Punker aus Horst.

„Meine Inspiration sammle ich im Alltag“

Liebhaber seiner Geschichten dürfen sich ebenfalls freuen. „Die Lesung heute ist Auftakt für eine kleine Tour durchs Ruhrgebiet.“ Er will Gas geben, viel schreiben und musizieren. Dafür habe er andere Projekte zunächst hinten angestellt: „Jetzt konzentriere ich mich ausschließlich auf meine Kunst“. So wird bald ein neuer Text in einer Kurzgeschichtensammlung erscheinen, in dem es um seine Jugend in Gladbeck geht. Die Bandbiografie über die Abstürzenden Brieftauben soll ebenfalls bald veröffentlicht werden. Das Buch hatte sich lange verzögert, weil sich die Punkband zunächst aufgelöst hatte; doch dieses Projekt habe wieder Fahrt aufgenommen.

Schließlich schreibt der studierte Sprachwissenschaftler René Schiering derzeit am dritten Teil seines Ruhrpott-Köters. „Meine Inspiration sammle ich im Alltag, in Gelsenkirchen.“ Vielleicht kommt ja sogar Jessica Malchow aus dem Publikum in dem Roman vor, die sympathische Tätowiererin mit den pinken Haaren – oder die anderen Besucher der Lesung im „1Null7“, die mit dem Autor zum Abschluss lauthals das Steigerlied gesungen haben.

>>> Info: Tattoo-Tag am 10. März im „1Null7“

Das „1Null7“ veranstaltet am nächsten Samstag, 10. März, ab 12 Uhr einen „Tattoo Walk-in“. Interessierte können sich dann tätowieren lassen. Tätowiererin Jessica Malchow wird eine Auswahl ihrer Lieblingsmotive mitbringen, ihr Kollege Uzey nimmt dagegen auch Kundenwünsche entgegen.

Die nächste Station von René Schierings Lesetour ist das Café Eden in Bochum (Herner Straße 13). Los geht’s am Sonntag, 18. März, um 17 Uhr.