Gelsenkirchen. . Gelsenkirchen droht eine niedrigere Förderstufe. Politik und Verwaltung sind alarmiert: Dann würden Projekte wirtschaftlich unrentabel.

Gelsenkirchen droht die Abstufung von „M3“ auf „M2“ – hinter dem Kategorienkürzel steckt die Mietstufen-Klassifizierung auf einer (bislang) vierstufigen Skala. Gelsenkirchen dient sie als Rahmen für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus mit Landeskrediten. „M1“ bedeutet: Geringe Miet-Preise pro Quadratmeter, geringer Nachfragedruck, geringe Förderung. „M4“ ist bislang die höchste Stufe. Getoppt werden soll sie durch die erweiterte Kategorie „M4+“.

Städte wie Köln, Münster oder Düsseldorf wären damit eine Klasse für sich. Halt extrem teuer zum Wohnen, mit extrem hoher Nachfrage – und künftig auch mit höheren Mittelzuflüssen für den Sozialen Wohnungsbau. Was diese Metropolen freuen dürfte, treibt Politiker, Verwaltung und Wohnungswirtschaft in der Stadt massiv um. Geringere Mieten bedeuten hier ohnehin geringere Förderung. Doch neben Gelsenkirchen droht auch Herne – erneut nach 2009 – nun als einzigen Städten im Revier die Abstufung. Politik und Verwaltung wurden erst im Dezember mit dem drohenden Problem konfrontiert, Ende Februar könnte schon die Entscheidung fallen.

Von der SPD auf die Tagesordnung gesetzt

„Der Prozess ist schon sehr weit gediehen. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Argumentationslinie aus verschiedenen Richtungen an das Land herangetragen wird“, macht Stadtbaurat Martin Harter deutlich. Im Stadtplanungsausschuss setzte die SPD das Thema jetzt auf die Tagesordnung.

Harald Förster, Geschäftsführer der ggw, erläuterte im Ausschuss die möglichen Förderfolgen für Gelsenkirchen.
Harald Förster, Geschäftsführer der ggw, erläuterte im Ausschuss die möglichen Förderfolgen für Gelsenkirchen.

Mit Harald Förster, Geschäftsführer der ggw, der Gelsenkirchener gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft, war ein Vertreter der (sozialen) Wohnungswirtschaft geladen, der den Ausschussmitgliedern das eher dröge Thema lebendig erschloss: „Sozialer Wohnungsbau wird danach in Gelsenkirchen erträglich und wirtschaftlich nicht mehr stattfinden können. In Köln oder Bonn sind Renditen so überragend gut, dass Investoren alles mitmachen. Aber in Gelsenkirchen ist die Situation so, dass auch der letzte Investor sagt: Leck mich inne Täsch.“

Bodenrichtwerte und Immobilienplattformen

Als Basis für die Einstufung ließ das Land gutachterlich den Immobilien- und Wohnungsmarkt bewerten. Gemeindescharf wurden dafür Bodenrichtwerte und Angebote auf Immobilienplattformen ausgewertet. Gelsenkirchen, so Förster, läge danach künftig mit „M2“ auf einer Stufe wie der Eifelort Monschau. Doch eine Ausrichtung nach Mietkosten und Wohnungsleerständen lasse außer acht, dass öffentlich gefördertes Bauen in einer Stadt wie Gelsenkirchen ja nicht allein dazu diene, günstigen Wohnraum zu schaffen. „Das ist ja auch oft ein Projekt der Stadtreparatur“. Beispiele aus Hassel, aus Rotthausen, aus Bismarck und Ückendorf zählt Förster auf, wo die ggw Schrottimmobilien vom Markt nehme, mit ihren Projekten Stadtviertel aufwerte.

Die Rendite wird unattraktiv

Mit ohnehin nicht satten Margen in Höhe von bis zu 1,6 Prozent betreibt die ggw das Geschäft im öffentlich geförderten Bereich. Renditen, über die man in Großstädten müde lächeln würde. Doch bei einer Abstufung auf „M2“ gingen diese Rechnungen nicht mehr auf, erklärt Förster am Beispiel der Bochumer Straße 167 / 169. Dort nimmt die ggw 38 „schrottreife Wohnungen“ vom Markt, 24 sollen neu gebaut werden, davon 20 öffentlich gefördert. 4,1 Millionen Euro kalkuliert das Unternehmen für das Eckhaus, finanziert auch mit Mitteln der NRW-Bank. Bislang kann Förster mit 2,3 Millionen Förderung rechnen, künftig nur mit 2,02 Millionen Euro. Der Tilgungsnachlass würde sinken, ebenso die sogenannte Bewilligungsmiete, in Folge auch die Mieteinnahmen. Kurzum: Am Ende stünden nach 20 Jahren minus 0,9 Prozent Rendite und ein Verlust von 280 000 Euro.

Geförderter Mietwohnungsbau, fürchtet SPD-Fraktionschef Klaus Haertel, würde dadurch quasi zum Erliegen kommen. Auch für den CDU-Stadtverordneten Werner Wöll steht fest: „Das kann keinem gefallen. Jeder sollte wo er kann Einfluss nehmen, um ein besseres Ergebnis zu kriegen.“

>>ggw-Bestand: Fast 50 Prozent Sozialwohnungen

Baugenehmigungen für rund 250 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern werden pro Jahr in Gelsenkirchen erteilt, davon sind knapp 100 öffentlich gefördert. Fast die Hälfte des ggw-Bestands ist sozialer Wohnungsbau.

In der Kategorie Mietenstufe „M3“ liegt die Bewilligungsmiete bei 5,55 Euro pro Quadratmeter, in „M2“ bei 5 Euro. Geringer würden auch die Darlehen der NRW-Bank ausfallen, ebenso die Mieteinnahmen.