Gelsenkirchen. Erste Wohnungsmarktkonferenz bringt handelnde Akteure zusammen. Eine Modellrechnung geht von Bedarf von bis zu 3000 neuen Wohnungen aus.

  • Bis zu 3000 Wohnungen könnten laut einer Modellrechnung bis 2020 in Gelsenkirchen fehlen
  • Hohen Bedarf sieht der ggw-Geschäftsführer vor allem bei barrierefreiem Wohnraum
  • Erste Wohnungsmarktkonferenz bringt handelnde Akteure zusammen, um Strategien zu entwickeln

Ein Imageproblem kann Leid und Segen zugleich sein. So muss man es wohl sehen für Gelsenkirchen. In Metropolen mit massivem Zuzug wie Köln, Hamburg oder München ist längst der Wohnraum rares und teures Gut. In Gelsenkirchen ist die Situation vergleichsweise entspannt. „Wir müssen nicht über Mietpreisbremsen nachdenken und haben auch keine Wohnungsnot“, sagt Oberbürgermeister Frank Baranowski. „Aber wir nehmen eben auch wahr, dass der Wohnungsstandort Gelsenkirchen stärker nachgefragt wurde in den letzten Jahren“ – nicht zuletzt weil die Bevölkerungszahl um 10.000 stieg.

Das Märchen vom Übermaß

Erschwingliche Mieten und vergleichsweise kommode Grundstückspreise in Verbindung mit guter Infrastruktur zeigten Wirkung. Kurzum: die Stadt will sich positionieren, will vorsorgen. „Wir sind jetzt in der richtigen Situation, über weitere Strategien nachzudenken“, sagt der OB. Ein erster Schritt: Die „1. Gelsenkirchener Wohnungsmarktkonferenz“. Am Freitag fand sich dafür im Hans-Sachs-Haus ein, was in der Branche Rang und Namen hat – die großen Wohnungsunternehmen wie Vivawest und Vonovia, Stadtplaner, Architekten, Investoren und mit dem ehemaligen Stadtbaurat und heutigem Staatssekretär Michael von der Mühlen auch ein Vertreter der Landesregierung.

„Die Modellrechnungen von schrumpfender Bevölkerung für NRW sind nicht mehr haltbar,“, glaubt von der Mühlen. „Einige Regionen werden sehr stark wachsen wie die Städte an der Rheinschiene, auch Essen oder Dortmund hätten erwarteten starken Zuwachs, doch auch für Gelsenkirchen rechnet der Staatssekretär mit Bedarf von bis zu 3000 Wohneinheiten bis 2020. Wohnraum zu schaffen ist ein Faktor, doch gleichzeitig die Stadt in der Region zu vernetzen und eine integrierte Standortentwicklung voranzutreiben, sei mindestens genauso wichtig, meint von der Mühlen. Gelsenkirchen arbeite daran schon lange erfolgreich.

Gelsenkirchen in vielen Bereichen gut aufgestellt

Stadtlandschaften Ressort-übergreifend zu planen, Gesundheit, Schule, Kultur oder auch Soziales mit einzubeziehen, empfiehlt ebenfalls Prof. Dr. Rolf Heinze von der Universität Bochum. Das Revier sieht er als polyzentrische Stadtregion und Gelsenkirchen mittendrin in vielen Bereichen gut aufgestellt. „Wir dürfen nicht immer die Problemperspektive haben“, fordert Heinze. „Zum Beispiel bei der digitalen Bildung ist landesweit kaum eine Stadt so gut aufgestellt wie Gelsenkirchen. So etwas wird aber in der Öffentlichkeit nicht wahr genommen.“

Auch Harald Förster, Geschäftsführer der ggw, der Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft, sieht „steigende Bedarfe“ in der Stadt. „Das Märchen von Wohnungen im Übermaß ist nicht haltbar. In halbwegs guten Wohnlagen gibt es schon keine Angebote mehr.“ Woran es vor allem mangele, seien barrierefreie Wohnungen oder kleine Wohnungen mit hohem energetischen Standard. „Da haben wird deutlichen Nachholbedarf.“ Als Praktiker appelliert er: „Wir müssen aufhören, das Wohnen gerade für den innerstädtischen Bereich über Richtlinien und technische Vorgaben immer teurer zu machen.“

Etwa 300 Neubauten pro Jahr

144 000 Wohnungen gibt es in Gelsenkirchen. 37 Millionen Euro (auch für die Flüchtlings-Unterbringung) für sozialen Wohnungsbau standen 2015 bereit, 2016 sind es 15 Millionen.300 Neubauten entstehen pro Jahr in Gelsenkirchen, aber auch ca. 0,2 Prozent des Gesamtbestandes werden abgerissen.

„Um den erforderlichen Nettozuwachs bis 2020 zu schaffen, müssten wir mindestens auf 600 Wohnungen pro Jahr kommen“, rechnet ggw-Chef Förster