Neustadt. . Der Großvater von Klaus Horstmann gründete anno 1900 seinen Friseurbetrieb in Gelsenkirchen. Der Enkel feiert jetzt seinen 70sten – im Salon.
Wenige Betriebe sind seit mehr als 100 Jahren in Familienhand. Klaus Horstmann und sein Sohn Oliver führen einen solches Unternehmen in der Neustadt: den Intercoiffure Horstmann, einen besonderen Friseursalon, nicht allein der langen Tradition wegen. Den Titel „Intercoiffure“ muss man sich nämlich erarbeiten. Dafür bewerben kann man sich nicht, zum Fünf-Sterne-Friseur wird man berufen – und dann regelmäßig von Testkunden überprüft, ob der Titel noch angemessen ist. Der Seniorchef wird nun 70 Jahre, hat seine Kunden zum Feiern eingeladen.
Als Josef Horstmann, der Großvater von Klaus, anno 1900 an der Ückendorfer Straße/Ecke Almastraße sein Geschäft eröffnete, war Bartpflege ein großes Thema. Jeder Kunde hatte einen eigenen Rasiertopf, die Wände waren bis zur Decke mit Holz und Spiegeln verkleidet. Modefrisuren für Herren waren der Hindenburg-Haarschnitt und der sogenannte Sportlerschnitt, bei dem viel rasiert wurde – ein wenig also wie heute. . .
Für einen echten Barbershop fehlt das Publikum hier
Einen richtigen „Barbershop“ würde Klaus Horstmann sehr gerne einrichten in diesen Tagen, in denen gepflegte Bärte wieder angesagt sind. „Aber dafür haben wir in Gelsenkirchen nicht das Publikum. Sowas läuft in Berlin und Hamburg.“ Klaus Horstmann weiß, wovon er spricht. Er war weltweit unterwegs, ebenso wie sein Sohn. Er hielt Seminare im Auftrag von Wella und L’Oreal, bestritt Shows zur Frisurenmode, bildete tausende Friseure aus, unterrichtete an der Berufsschule, leitete drei Salons. Bis 2010: Da zwang ein Schlaganfall ihn, kürzer zu treten.
1000 Kunden im Monat – fast alle Stammkunden
Davon zurück geblieben ist nichts und die 70 Jahre sieht man ihm nicht an. Aber Shows und Seminare macht er nicht mehr, die Salons in Marl und Essen hat er aufgegeben, dreimal die Woche arbeitet er noch im Salon in der Neustadt, der von Stammkundschaft lebt. „Laufpublikum gibt es hier nicht. Das war anders, als ich den Laden 1977 eröffnet habe“, erklärt Horstmann, der mehr als unglücklich ist über die Entwicklung im Stadtteil. Aber seine Kunden kämen von überall her, Essen, Dortmund, Düsseldorf. „Wer einmal da war, kommt wieder. Wir haben im Monat 1000 Kunden,“ betont Horstmann stolz. Wie die Designerin aus der Landeshauptstadt, die über Mundpropaganda kam, die beim Schnitt den Lieblingssatz aller Friseure sagte: „Machen sie mal“. Und beim nächsten Besuch bat. ihr das schwarze Haar grau zu färben. Grau ist trendy, auch bei Jüngeren.
Der Sohn ist staatlich geprüfte Farbspezialist
Staatlich geprüfter Farbspezialist ist Sohn Oliver (47) – „ der einzige in Gelsenkirchen“. Der Vater ist der Experte in Sachen Haarschnitt. „Es gibt Friseure, die schneiden nach Bauchgefühl, andere haben die perfekte Technik. Aber ich verbinde beides, und das muss auch sein. Jeder Kunde hat sein eigenes Copyright“, betont der Senior.
Zum Friseursalon am Wiehagen 18 mit sechs Mitarbeiterinnen (zur Zeit wird Verstärkung in Teilzeit gesucht), die alle im Betrieb ausgebildet wurden und zum Teil Jahrzehnte dabei sind, gehört auch eine Wellness- und Kosmetikabteilung mit einer eigenständigen Mitarbeiterin. Die Horstmanns verstehen Schönheit als Gesamtpaket.
Seit der Gründung im Jahr 1900 mehrfach umgezogen
Josef Horstmann eröffnete seinen Salon im Jahr 1900 an der Ückendorfer-/Almastraße. Sohn Josef stieg mit ein, obwohl der Gründer selbst bis zum 80. Lebensjahr zur Schere griff.
Nächste Station war die Sellhorststraße, die ausgebombt wurde. An der Dessauer Straße dann ging Klaus beim Vater in die Lehre. Das Geschäft am Wiehagen eröffnete er 1977.