Gelsenkirchen-Buer/Horst. . Gedankenlesen, Detektiv-Gespür und besondere Kontakte von Einzelhändlern in Buer und Horst sind oft nötig, um Kunden-Sonderwünsche zu erfüllen.

Service-Wüste Einzelhandel? Gibt’s bestimmt. Aber auch das Gegenteil – nicht nur, aber besonders in Zeiten von Online-Bestellungen. Eine Umfrage bei Geschäftsinhabern in Buer und Horst zeigt: Um die bisweilen rudimentären Angaben zum gesuchten Artikel umsetzen zu können, ist mitunter detektivisches Gespür nötig. Und auch sonst erfüllen viele Sonderwünsche so ziemlich alle Kriterien der Kategorie „karierte Maiglöckchen“.

Flexibilität jedenfalls scheint Voraussetzung in allen Branchen zu sein, um König Kunde zufriedenzustellen. „Wir haben immer mal wieder Kunden, die auf letzten Drücker etwa Geschirr ordern. Bei einer Dame war die Bestellung so knapp da, dass ich angeboten habe, die Preisschilder abzuknibbeln und die Teller gespült anzuliefern“, berichtet Susanne Polte, Inhaberin des Haushaltswaren-Fachgeschäfts Leifeld in Buer. In einem anderen Fall besorgte sie eine von Kindern mit dem Fußball zerschossene Teekanne bei einem Verbund-Händler in Melle, weil sie selbst die Marke nicht führt.

Gefragt sind Fähigkeiten im freien Assoziieren

Identifizierte nach einiger Zeit den „Chipsdreher“ als Rettichschneider: Susanne Polte, Inhaberin des Haushaltswaren-Fachgeschäfts Leifeld in Buer.
Identifizierte nach einiger Zeit den „Chipsdreher“ als Rettichschneider: Susanne Polte, Inhaberin des Haushaltswaren-Fachgeschäfts Leifeld in Buer. © Heinrich Jung

Auch Künste im freien Assoziieren sind ab und an gefragt: „Es hat schon etwas gedauert, bis mir klar war, dass mit dem ,Chipsdreher’ ein Rettichschneider gemeint war.“

In der Buchhandlung Kottmann in Buer ist neben fundierter Allgemeinbildung auch die Fähigkeit zum Gedankenlesen durchaus von Vorteil – etwa wenn jemand das Buch „Die Nazis von Dortmund“ bestellt, tatsächlich aber „Narziss und Goldmund“ von Hermann Hesse will.

Spärliche Angaben erfordern aufwendige Recherche

„Wir hatten auch schon Leser, die ,Oregon’ von Robert Langdon wollten. Dabei ist das die Hauptfigur in ,Origin’ von Dan Brown“, so Kottmann-Inhaber Dirk Niewöhner. „Das Buch ist rot und lag doch immer an dieser Ecke im Regal“ oder „Meine Frau will den Liebesroman haben, der letztens im Radio besprochen wurde“: Derartig spärliche Angaben hören die Buchhändler oft. Die Folge sind aufwendige Online-Recherchen – aber auch oft genug ein Happy-End. Servicewüste? Von wegen!

Ähnlichkeiten mit dem Christkind, das alle Wünsche erfüllt? Dieser Eindruck drängt sich ebenfalls den Mitarbeitern im Horster Textilhaus Strickling auf. „Was große Filialisten nicht anbieten, bemühen wir uns zu besorgen: supergroße oder superkleine BH’s, Herrensporthemden in XXXXXXL, Bademäntel in Größe 68 oder Tischdecken nach Maß. Auch 80 Exemplare eines Handtuches haben wir schon einmal für eine Frauengemeinschaft bestellt“, erzählt Mit-Inhaberin Ute Vieth.

Auch Erwachsene schreiben offenbar noch Wunschzettel...

>> Händler sind zufrieden mit dem Weihnachtsgeschäft

Ob die Kassen im Jahr 1 nach dem Weggang von Sinn/Leffers in Buer süß klingeln? Nicht überall besonders, aber doch erstaunlich gut – so das Fazit der befragten Einzelhändler. Dirk Niewöhner (Buchhandlung Kottmann) etwa verzeichnet bei einem deutlichen Frequenzrückgang von etwa 2500 Kunden in 2017 ein leichtes Umsatzplus, ebenso Dirk Lindau von Spielwaren Willig in Buer. Niewöhner erklärt sich das mit dem Umstand, dass die Wochenmarkt-Beschicker seinen Eingang seit einigen Monaten aussparen; Lindau wiederum hat eine starke Nachfrage nach Hatchimals festgestellt – interaktiven Eiern, die ausgebrütet werden müssen.

Bei Leifeld und im Lederwaren-Geschäft Droste in Buer liegt der Umsatz jeweils etwa auf Vorjahres-Niveau. Hintergrund seien die besondere Beratung und ein erweitertes Einzugsgebiet. Dorothee Decker (Droste): „Es kommen mehr Kunden aus Polsum, Herten und Gladbeck.“

Auch Ute Vieth (Strickling) zeigt sich zufrieden mit dem Weihnachtsgeschäft. „Wir haben von der Sinn-Schließung profitiert.“