Was wird aus der einzigartigen Heilig Kreuz-Kirche in Ückendorf, die außen kantig, innen mystisch daherkommt? 2007 wurde sie außer Dienst gestellt. Eine Machbarkeitsstudie glaubt: Sie hat das Zeug zum Neuen.
Die Götter, Geister und Dämonen der gleichnamigen Ausstellung haben die Kirche verlassen, so dass der Blick wieder frei ist, auf das Langhaus der Heilig Kreuz-Kirche mit seinem einzigartigen Farbenspiel blau strahlender, freskengleicher Deckenmalerei, den weiß unterbrochenen Fensterjochen an den Seitenarkaden und dem in Pastelltönen schimmernden Chorraum. Welch verspielte Gegenwelt zu der kantig-wuchtigen Backsteinarchitektur der Kirche aus hart gebrannten Ziegeln und den expressionistischen Endzwanzigern des vergangenen Jahrhunderts.
Genug der nahezu entrückten Augen-Blicke und Bilder. Nackt wie der Kirchenboden des leer geräumten Kirchenschiffes ist die Realität: Die Kirche ist seit 2007 außer Dienst gestellt. Die ersten Spuren sind sichtbar: eingeworfene Fensterscheiben in den zur kurvigen Parabel geschnittenen Gewölben, die die Kirche zur Parabelkirche werden lassen – zu einer der einzigartigsten im Lande. Und die Zukunft ist ungewiss. Aber machbar.
Das weist die Machbarkeitsstudie aus, die Stadt und Land 2008 in Auftrag gaben und die das Bauministerium weitgehend finanzierte. Modellhaft an 14 Kirchenhäusern in NRW sollte untersucht werden: Was lässt sich mit und aus den vielen geschlossenen Kirchen im Lande machen? Erst vor Wochen schritt NRW-Bauminister Lienenkämper durch Heilig Kreuz, war sichtlich beeindruckt und verstand wohl, warum sein Gelsenkirchener Amtsvorgänger und CDU-Parteifreund Wittke die Ückendorfer Kirche nicht nur aus Heimatliebe in die Studie aufgenommen hatte.
Lienenkämper sagte im Sommer aber auch: „Jetzt müssen die Ergebnisse der Studie konkretisiert werden.” Wohl wahr. Zwar kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die denkmalgeschützte Kirche als Tagungs- und Versammlungszentrum eine Zukunft haben kann, sie nennt aber auch eine schwer verdauliche Summe: 2,5 Millionen Euro würde die veranstaltungstechnische „Urbarmachung” und die städtebauliche Arrondierung mit Gebäudeabrissen und Umfeldgestaltung kosten. Die entscheidende Frage der dauerhaften Nutzung, Kostendeckung und Trägerstruktur ist damit noch nicht geklärt und zählt zu dem ministeriellen Konkretisierungsauftrag.
Daran arbeiten unter anderem Stefan Rommelfanger vom Stadtplanungsamt und Astrid Laux vom Stadtumbaubüro Südost, das gleich neben der Kirche sein Domizil hat. Sie sind nicht allein: ein Aktionskreis hat sich gegründet. Die Gemeinde ist daran beteiligt, das Bistum, der Wissenschaftspark in Steinwurfnähe, das städtische Kulturbüro. Eingebunden ist das in Gelsenkirchen ansässige Europäische Haus der Stadtkultur, das Baukultur und Architektur in NRW gestalten, fördern und sichern will.
„Bleibt der Boden drin?”, fragt Rommelfanger Astrid Laux bei hallenden Schritten durch das Langhaus. Kein Konjunktiv! Doch zugleich betont der Stadtplaner: „Es geht nur, wenn die Nutzung auf breiter Basis dauerhaft steht.” Und weiter: „Wir planen hier kein Traumschloss.” Als eines der entscheidenden „Leitprojekte” Gelsenkirchener Stadtplanung nennt Rommelfanger das Vorhaben.
Der Stiftungsgedanke steht im Raum. Eine Trägergesellschaft, in die die Kirche das Gebäude einbringen würde. An der die Stadt beteiligt sein könnte oder Tochterfirmen. An der der Wissenschaftspark mit seiner landesweiten Ausstrahlung Interesse hat, weil sich der Kirchenraum als Veranstaltungsort nutzen ließe. Auch auf das Land setzt Gelsenkirchen, das Heilig Kreuz für regional bedeutsame Nutzungen aktivieren könnte. Überlegungen zur landesweiten Präsentation des Backstein-Expressionismus geistern durch die Köpfe.
Klar ist auch: „Man braucht eine tragfähige Struktur, eine betriebswirtschaftliche Führung. „Es genügt nicht, dass irgendwo jemand einen Schlüssel für die Tür hat”, betont Rommelfanger. Zugleich gibt es ein wichtiges Zeitfenster: die noch fließenden Stadtumbaumittel aus dem Förderprogramm „Soziale Stadt”. Damit wird auch das Stadtquartier Bochumer Straße revitalisiert. Und für die hat die Kirche hohen Symbolwert.
Das nächste Jahr soll die vielen offenen Fragen klären, so dass 2011 mit der Umsetzung begonnen werden könnte. Parallel dazu soll Heilig Kreuz tunlichst 2010, zum Kulturhauptstadtjahr, eine Rolle spielen, vielleicht mit einer Ausstellung zu ihrem Architekten Franke und zum Backstein-Expressionismus im Revier.
Zum Ende des Besuchs in der Parabelkirche wird Heilig Kreuz nicht nur ihrer namensgebenden Architektur-Geometrie gerecht, sondern füllt die Parabel buchstäblich auch mit einem Gleichnis: Obgleich „außer Dienst gestellt” läuten quasi als Lebenszeichen die Kirchenglocken.
Kostenvolumen 2,5 Mio Euro
Die Machbarkeitsstudie sieht die Zukunft der Heilig Kreuz-Kirche in einem Tagungs- und Veranstaltungszentrum, das bei maximaler Bestuhlung Platz für 750 Besucher bietet. Konzerte, Theater, Ausstellungen, Empfänge: all dies wäre in dem Kirchengebäude möglich. Dazu sind Um- und Einbauten nötig: Projektions- und Veranstaltungstechnik, Bühnenelemente und -beleuchtung, sanitäre Anlagen etc. Auf rund 900 000 Euro beziffert die Studie die Kosten dafür.
Zugleich hat die Studie Pläne und Kosten für die Umgestaltung des Außenbereiches zusammengestellt. Dazu gehört der Abriss des Gemeindesaales und des Kindergartengebäudes an der Heidelberger Straße hin. Auf den gewonnenen Freiflächen sollen unter anderem Parkplätze angelegt und Bäume gepflanzt werden (Kosten 488 000 Euro).
Für rund 450 000 € müssten laut Studie die angrenzenden Wohngebäude im Kirchenbesitz an der Bochumer Straße und der Heidelberger Straße modernisiert werden. In die Kostenkalkulation für ein Veranstaltungsgzentrum fließt dabei ein, dass die Mieteinnahmen zur Querfinanzierung genutzt werden können. -er