In der Debatte um die Zukunft der Bäder in Gelsenkirchen haben CDU und Grüne eine klare Meinung: Es gilt, am dezentralen Konzept festzuhalten.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Stand der Bäderdebatte?
Totzeck: Hilfreich war natürlich, dass endlich eine Vorlage erschienen ist, aus der man ein paar Informationen ziehen konnte. Dass uns das IKU-Papier zur Verfügung gestellt wurde, war ein erster Schritt. Aber wir wollen weiterhin für die Ratssitzung an unserem Antrag festhalten, dass alle Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, damit auch alle denselben Kenntnisstand haben.
Tertocha: Das war ein erster Schritt, ja, aber da müssen noch ganz viele Schritte folgen. Es ist ja klar gesagt worden: Es ist Aufgabe der Stadt, sich um die Bäder zu kümmern, nicht der Stadtwerke. Und dann sollte man sowohl der Politik als auch der Öffentlichkeit alle Zahlen und Details zur Verfügung stellen.
Könnte man zum jetzigen Zeitpunkt schon weiter sein?
Tertocha: Man könnte viel weiter sein. Das Altenburg-Gutachten ist ja im Sommer 2015 erstellt worden. Eigentlich sind große Teile zu Überlegungen bezüglich Kosten und Möglichkeiten darin präsentiert worden. Man könnte also weiter sein, wenn man jetzt nicht den Eindruck erweckt hätte, man müsste 2017 noch mal komplett bei Null anfangen.
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Totzeck: Wir haben noch mal alte Unterlagen durchgewälzt. Wir haben schon 2011 in der Sportausschusssitzung nach dem Stand der Bädersituation gefragt und wollten wissen, ob es nicht sinnvoll sei, ein Bäderkonzept zu erstellen. Damals wurde uns gesagt, das sei nicht nötig.
Und 2012 haben sich dann die Stadtwerke gemeldet: Wir müssen mal was tun. Dann gab es irgendwann einen entsprechenden Auftrag an die Stadtwerke. Deren Chef Köllmann hatte den so verstanden: Sie arbeiten intern an Konzepten, sie geben ein Gutachten in Auftrag und wenn sie einen Lösungsvorschlag haben, tragen sie den in die Politik.
Tertocha: Die Frage ist ja: Wie weit soll ein Aufsichtsrat abschließend eine Entscheidung präsentieren? Für uns ist das so, dass der Aufsichtsrat gerne vorberaten kann. Aber bei uns war immer der Gedanke dahinter, dass am Ende auch Lösungsvorschläge kommen – bewusst in der Mehrzahl formuliert – und dass man diese Optionen, die man dann hat, mit Fakten unterfüttert präsentiert. Dann muss die Politik entscheiden.
Sie bevorzugen in der Bäderfrage die 4+2-Lösung, also die Erhaltung aller Standorte. Warum?
Totzeck: Wir sind eine wachsende Stadt. Und wir müssen dem Bedarf gerecht werden: was das Schulschwimmen angeht, was den Vereinssport angeht, aber auch, was die Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge angeht. Und das nicht nur zentral, sondern auch dezentral. Aus unserer Sicht ist mit diesen vier Bädern ein gutes Konzept vorhanden, was wir erhalten wollen.
Tertocha: Dezentrale Versorgung ist das Entscheidende. Es muss auch jemandem möglich sein, mit Bus und Bahn zu einem Bad zu kommen, was nicht zehn Kilometer entfernt am anderen Ende der Stadt liegt.
Wenn diese vier Standorte bleiben sollen, dann heißt das: Ihnen ist Sanierung lieber als Neubau. Oder?
Tertocha: Nein, das eine schließt das andere nicht aus. Sanierung ist eine Option, aber auch Neubau am gleichen Standort. Ich habe beim Zentralbad und Sport-Paradies hervorragende Möglichkeiten, einen Neubau direkt daneben hochzuziehen: neben dem Zentralbad das alte Polizeipräsidium, was so ungefähr 80 Prozent der Fläche des jetzigen Bades hat. Auch beim Sport-Paradies habe ich ganz viele Möglichkeiten. Es läuft darauf hinaus, dass ein Neubau günstiger sein könnte als eine Sanierung.
Zwei Neubauten wären aber teurer als einer. Wo soll das Geld für zwei Neubauten herkommen?
Tertocha: Wir reden ja über die Baukosten für ein weiteres Hallenbad, was im Altenburg-Gutachten und auch bei den Unterlagen der Stadt so auf 8 bis 10 Millionen Euro quantifiziert wird. Eine Versorgung im Freizeit- und Schwimmbereich muss zu den Aufgaben einer Stadt gehören. Und dann reden wir über das jährliche Defizit und den Kapitaldienst für 8 bis 10 Millionen Euro. Das ist dann – laut Unterlagen der Stadt, die uns zur Verfügung gestellt wurden – ein Betrag von 1,1 Millionen Euro pro Jahr. Das ist es uns wert.
Totzeck: Wir müssen eben entscheiden, wie viel wert uns der Erhalt der Bäderstandorte ist.
Für Sie ist e i n Neubau – mit der Begründung, dass es für die Stadt am Ende billiger wird – keine Option?
Tertocha: Nein, das ist keine Option. Ich bin weit davon entfernt zu sagen: Das muss um jeden Preis so realisiert werden. Aber ich rede erst über den Bedarf und die Frage, was zum Freizeitangebot einer Stadt dazugehört, und beachte dabei die Kosten – als mich bei der Diskussion von der anderen Seite zu nähern.
Sind denn eigentlich in Ihren Überlegungen für den Neubau auch Eissport, Schießsport und Kegelsport eingebunden? Da gibt es ja jetzt auch Zahlen drüber.
Tertocha: Das ist mit eingebunden. In den Unterlagen der Stadt ist ja der Betrag genannt, was der Weiterbetrieb oder der Neubau einer Eishalle kosten würde. Ich glaube, das war ein Betrag von 6 oder 7 Millionen Euro. Natürlich muss man den Gruppen die Möglichkeit geben, ihren Sport ausüben zu können.
Totzeck: Ohne eine Heimat verlieren wir Vereine an andere Städte.
Sie wollen die Bevölkerung in die Bäderdebatte mit einbeziehen, wollen den so genannten Ratsbürgerentscheid. Ist das Thema nicht viel zu komplex dafür?
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Totzeck: Es muss leider begrenzt sein auf eine Ja/Nein-Frage. Aber wir finden schon, dass das Thema wichtig genug ist. Es ist eine Frage, die viele Generationen betreffen wird. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir die Bevölkerung beteiligen. Wir wollen die Frage stellen: Braucht Gelsenkirchen vier Bäderstandorte?
Tertocha: Ich glaube nicht, dass der Sachverhalt zu komplex ist. Da unterschätzt man die Bevölkerung.
Ist das für Sie nicht auch ein Kampf gegen Windmühlen? Die SPD will den Ratsbürgerentscheid nicht und kann mit ihrer absoluten Mehrheit in der Frage ausrichten, was sie will.
Totzeck: Es ist sogar ziemlich frustrierend, weil wir uns gerade in dem Punkt sehr unterscheiden. Die SPD hat ja im Hauptausschuss in einem Nebensatz gesagt: Der Hintergrund für die Entscheidung, externe Beratung zu holen, ist, wie wir alle gemeinsam der Bevölkerung verkaufen können, dass wir Bäder schließen müssen. Es war nicht mehr die Rede davon, wie kann man es verkaufen, dass es für die SPD nicht so schlecht aussieht, sondern wie man es den Bürgern verkaufen kann, dass die Stadt diese Entscheidung treffen muss. Und das sehen wir eben anders. Wir finden, dass die Bevölkerung befragt werden sollte.
Haben Sie denn noch Hoffnung, dass sich da noch irgendwas bewegt?
Totzeck: Natürlich, sonst hätten wir schon längst aufgegeben.
Um aber einen Ratsbürgerentscheid zu beschließen, bedarf es einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Rat. Wo soll die herkommen?
Totzeck: Vielleicht bewegt sich die SPD ja doch noch. Wenn wir darüber sprechen, wie gut eine AfD hier in Gelsenkirchen abschneidet, dann ist es umso wichtiger, wie wir möglichst viele Menschen beteiligen können an politischen Prozessen.
Die Bäder gelten als sehr sanierungsbedürftig. Bis ein neues Bad eröffnet, werden noch Jahre ins Land ziehen. Wie viel Zeit bleibt denn eigentlich noch?
Tertocha: Eins, zwei Jahre sicherlich noch. Deshalb ist ja unsere Argumentation: Lasst uns endlich die Grundsatzfrage klären – vier oder drei Standorte. Wenn diese Grundsatzfrage in einem Bürgerentscheid geklärt ist, kann man, glaube ich, ganz schnell zu Ergebnissen kommen.