gelsenkirchen. . Nach seinen Kinoerfolgen, unter anderem „Er ist wieder da“, hat David Wnendt einen Tatort gedreht. Thema ist das Darknet, der Kommissar Borowski.

  • Kieler Tatort vom Gelsenkirchener Drehbuchautor und Regisseur von Feuchtgebiete“ und „Er ist wieder da“
  • Darknet als Raum, der an sich nicht böse ist und auch positive Chancen bieten kann, einfach erklärt
  • Sendetermin am 19. März um 20.15 Uhr im Ersten. Axel Milberg bat David Wnendt um eine Folge

Das letzte Mal in Gelsenkirchen war der mehrfach preisgekrönte Filmregisseur David Wnendt (Die Kriegerin, Er ist wieder da, Feuchtgebiete) im vergangenen März, zur Eisernen Hochzeit seiner Großeltern, die bis heute in Rotthausen leben. Der Diplomatensohn, der nach den ersten Lebensjahren in Gelsenkirchen mit seinen Eltern in aller Welt zuhause war, hat nach seinen erfolgreichen Kinofilmennun bei einem Tatort Regie geführt. Am Sonntag, 19. März, wird er im Ersten ausgestrahlt. In diesen Tagen ist Wnendt beim Fernseh-Krimifestival in Wiesbaden zu sehen. In seinem Tatort „Borowski und das dunkle Netz“ geht es ums Darknet. WAZ-Redakteurin Sibylle Raudies sprach mit dem Wahl-Berliner über den Hintergrund zu seinem Tatort.


Herr Wnendt, nach den Neo-Nazis in „Die Kriegerin“ und „Er ist wieder da“ und den Tabubrüchen in ihrer filmischen Umsetzung von Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ ist jetzt das Darknet ihr Thema. Ein Ort mit extrem schlechtem Ruf. Und das ausgerechnet im Tatort, einem der ältesten TV-Formate. Wie kam es dazu? Und haben Sie sich das Borowski-Team eigens ausgesucht? David Wnendt: Axel Milberg hatte mich schon bei den Dreharbeiten zu „Feuchtgebiete“ angesprochen, ob ich nicht Lust habe, etwas konkret für seinen Tatort zu schreiben. So war der Kontakt hergestellt. Und so kam es dazu, dass ich für den Kieler Tatort geschrieben habe.

Ist das jetzt der letzte Tatort mit Sibel Kekilli? Sie steigt ja aus, wie sie verkündet hat.
Es war der letzte Dreh mit ihr. Es wird aber noch eine Folge mit ihr ausgestrahlt, die bereits vor meinem Tatort gedreht wurde.


Wann haben Sie gedreht und wie lange dauern die Dreharbeiten bei einem Tatort?
Wir haben im vergangenen Sommer, also 2016, gedreht. 21 Tage gibt es, das ist das Normale, da ist auch nicht dran zu rütteln. Das Münchener Team hat schon mal ein paar Tage mehr, aber die Standardlänge ist 21 Tage.

Ihr Tatort ist in diesen Tagen auch beim Fernseh-Krimifestival in Wiesbaden zu sehen. Glauben Sie, er wird prämiert?
Nein, er läuft außer Konkurrenz. Die Dreharbeiten waren erst nach der Deadline für die Wettbewerbsteilnehmer abgeschlossen.


Sie zählen vom Jahrgang her – 1977 geboren – nicht direkt zu den Digital Natives. Als Sie Teenager waren, ging es mit dem Internet erst gerade los und Smartphones gab es noch gar nicht. Wie sehr bestimmt die digitale Welt Ihr Leben?

Drehbuchautor und Regisseur David Wnendt.
Drehbuchautor und Regisseur David Wnendt. © Peter Hartwig

Da muss ich widersprechen. Ich bin definitiv schon die Generation, die mit dem Computer groß geworden ist. Schon in der Grundschule, in der ersten, zweiten Klasse, gab es an unserer Schule einen Computer, mit dem man Rechenspiele machen konnte. Ganz simpel. Es gab zwar noch nicht das Internet, aber Computer. Und am Gymnasium ging es mit dem Heimcomputer, dem Commodore 64, schon richtig los. Ich bin mit Computern und Computerspielen groß geworden. Und als das Internet aufkam, da war ich schon gewohnt, etwas mit Computern zu machen, zu forschen, damit zu arbeiten.

Haben Sie Kinder?
Ja, ich habe zwei Söhne, sechs Jahre und fünf Monate alt.

Da ist das Internet noch kein Thema!
Nein.

Wie gut kennen Sie sich selbst im Darknet aus?
Ich hab mich schon früh mit dem Thema beschäftigt, schon lange die Idee zu einem Film darüber gehabt. Schon als gerade die ersten Berichte darüber kamen, habe ich dazu recherchiert, sehr viel dazu gelesen, auf diesen Seiten gesurft. Ich habe mir selbst den Tor-Browser heruntergeladen, den man ja braucht, um Darknet-Adressen anzusteuern. Als ich das Darknet kennenlernte, gab es den Marktplatz Silk Road noch, der ist ja mittlerweile verboten. Ich hab mir das selber erarbeitet, aber nur geguckt und nichts gekauft.

Szenenfoto aus dem Tatort „Borowski und das dunkle Netz“ nach dem Buch von Thomas Wendrich und David Wnendt, Die Cybercrime-Spezialisten Cao (Yung Ngo, li.) und Dennis (Mirco Kreibich, re.) überprüfen hier mit Klaus Borowski (Axel Milberg, Mitte) das Handy des Toten. Foto: NDR/ Christine Schroeder Sie haben auch mit der Einheit des Landeskriminalamtes zu Cyberkriminalität Kontakt aufgenommen?
Ja, die waren so nett, mir Einblick zu geben. Das Darknet verändert sich ja auch immer. Und da fand ich es sehr spannend zu sehen, was das für die Arbeit der Polizei bedeutet. Bei meiner Recherche hat sich mein Interesse immer mehr vom Darknet im Allgemeinen zu den digitalen Umwälzungen bei der Polizei verlagert.

Am Ende des Tatorts: Finde ich mich als durchaus Netzkundige, aber ältere Frau (58) im Darknet zurecht?
Für diesen Tatort braucht man keine Vorkenntnisse. Und wer sich im echten Leben mit dem Darknet oder neuen Technologien beschäftigen will, sollte keine Scheu haben. Das müssen Sie sich ein bisschen wie beim Email-Schreiben vorstellen. Die Vorgänge im Hintergrund sind relativ kompliziert. Aber das konkrete Schreiben und Abschicken ist total simpel. Ähnlich ist es beim Darknet. Wenn man einmal diesen Schritt gemacht hat, den Browser runtergeladen und sich ein wenig damit beschäftigt, ist es nicht schwer. Man muss sich einfach ein bisschen reinfuchsen. Aber das tatsächliche Nutzen ist dann sehr einfach.

Wie erklären Sie das im Film?
Mir war es wichtig, dass Zuschauer durch den Tatort unterhalten werden, aber auch ein stückweit das Darknet verstehen. Deswegen hab ich mir überlegt, wie würde die „Sendung mit der Maus“ da vorgehen und hab versucht, mit verschiedenen Stilmitteln mich dem Thema zu nähern.

Was ist das Darknet in ihren Augen: Ein freier Raum, ein interessantes Erkundungsfeld, eine Spielwiese für Kriminelle?
In den Anfangsjahren des Internets konnten sich die Nutzer im normalen World Wide Web anonym und unbeobachtet fühlen. Es war ein anarchischer Freiraum. Dieser ist längst verloren gegangen. Der Torbrowser ist eine Technologie, die eine gewisse Anonymität wieder ermöglichen sollte. Es gibt in der ganzen Welt viele autoritäre Strömungen. In vielen Ländern sind Meinungs- und Pressefreiheit in Gefahr. Da ist die Möglichkeit anonym kommunizieren und surfen zu können ein hohes Gut. Natürlich kann man diese Freiräume auch missbrauchen, aber bis zu einem gewissen Grad sollten wir das hinnehmen. Die Gefahr einer umfassenden Überwachung ist etwas, was uns alle immer mehr und ganz direkt betreffen wird. Schon jetzt gibt es viele Fälle bei denen Menschen entlassen, an der Grenze abgewiesen oder sonst wie bestraft wurden wegen Dingen die sie bei Facebook geschrieben haben.

Sind Sie eigentlich Tatort-Fan?
Ich mag gute Krimis und manche „Tatorte“ auch.

Ist Ihr Tatort eher Action-Thriller, klassischer Krimi oder Gesellschaftskritik?
Ein neoklassischer Krimi.

Woran arbeiten Sie zurzeit?
An einer Verfilmung von Wolfgang Hohlbeins „Hagen von Tronje“. Die Geschichte beruht ja auf einem Teil der Nibelungensage. Constantin hat die Rechte an dem Buch. Das ist eine sehr aufwendige, große Arbeit.

Haben Sie schon eine Idee, wen Sie als Hagen besetzen möchten? Die Figur ist ja eine sehr besondere, ganz anders als der Hagen in der Nibelungensage.
Nein, erstmal steht die Bucharbeit an, die Besetzung kommt später.