Gelsenkirchen. . Diskrepanz zwischen “Aufklärungsquote“ der Polizei bei Straftaten und der Anzahl der anschließend Verurteilten, ist enorm hoch. Auch in Gelsenkirchen.
- Die Aufklärungsstatistik der nordrhein-westfälischen Polizei steht in der Kritik
- Häufig gelten Fälle schon als geklärt, wenn es einen Tatverdächtigen gibt
- Deshalb ist die Verurteilungsquote im Vergleich nur sehr gering
Die Diskussion um die angeblich geschönten Kriminalitätsstatistiken hat auch Gelsenkirchen erreicht. Allerdings kann und darf die Polizei vor Ort nur dürftig dazu Stellung nehmen, auf welcher Grundlage das Zahlenwerk entsteht: „Wir halten uns an die erlasskonforme Auswertung“, heißt es vom Präsidium. Ansprechpartner ist das Landeskriminalamt (LKA), das vom Innenministerium die bindenden Vorgaben für die Statistik erhält.
Die Erklärung des LKA zur Statistik lässt den Schluss zu, dass es sich bei der Kriminalitätsstatistik eher um eine Tatverdächtigenstatistik handelt. Denn ein Fall gilt als aufgeklärt, „wenn nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis ein mindestens namentlich bekannter oder auf frischer Tat ergriffener Tatverdächtiger festgestellt worden ist“, erklärt LKA-Sprecher Frank Scheulen. Nicht von Belang ist dabei, ob der Tatverdächtige von der Justiz angeklagt und / oder verurteilt wird. Diese Fälle erscheinen in der Statistik der Justiz.
Heißt: Es gibt viel Interpretationsspielraum, wie dramatisch oder entspannt die Lage gerade ist, ohne dabei vergessen zu wollen, dass die Polizeiarbeit durchaus oft Früchte trägt.
Schwankende Aufklärungsquoten
Ein Blick in die jüngsten Gelsenkirchener Zahlen in der Kategorie Wohnungseinbruchsdiebstahl zeigt beispielsweise große Sprünge: Für September 2016 werden da 43 bekannte Fälle und eine überaus hohe Aufklärungsquote von 41,86 Prozent angeführt, im August waren es 53 Fälle bei einer Quote von nur 9,43 Prozent und im Juli 88 Fälle bei einem Wert von 14,77 Prozent. Im Fünf-Jahresschnitt kommt Gelsenkirchen so auf eine Aufklärungsquote von 18,42 Prozent.
Das Justizministerium konnte in Sachen Verurteiltenstatistik nur mit Landeszahlen dienen, zumindest aber lässt sich daraus ein Trend ablesen. Im Jahr 2015 sind „landesweit 835 Menschen für Wohnungseinbruchdiebstahl verurteilt“ worden – bei 167 136 erfassten Fällen.
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Zwischen gelösten Fällen und Tatverurteilten „liegen also Welten“, wie es Detlef Feige vom NRW-Justizministerium formulierte. Für Gelsenkirchen, das darf man wohl annehmen, dürfte dieses Verhältnis eine ähnlich hohe Diskrepanz aufweisen – 1454 Wohnungseinbrüche schlugen 2015 hier in der Stadt zu Buche.
Dass LKA und Justizministerium gleichermaßen an Kriminalitäts- und Verurteiltenstatistik festhalten, hat übrigens einen Grund. Ohne die jeweils andere Auswertung würde das Lagebild ein noch mehr verzerrteres. Ganz zu schweigen vom Dunkelfeld: Jenen Straftaten, die gar nicht erkannt oder nicht angezeigt werden. Laut Bund Deutscher Kriminalbeamter dürfte „über alle Deliktbereiche hinweg die Kriminalität bis zu 15 Mal über den offiziellen Angaben in den Statistiken liegen“.
BDK spricht von Tendenz, die Zahlen positiv darzustellen
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) reagiert auf die Vorwürfe des Kriminologen Frank Kawelovski, der von Manipulationen an der Einbruchsstatistikgesprochen hatte. Von einer systematischen Fälschung könne zwar nicht die Rede sein, sagte BDK-Landeschef Sebastian Fiedler. Aber es gebe eine „Tendenz in verschiedenen Deliktbereichen, die Zahlen positiv darzustellen“.
Experten zufolge entstehe durch Wirtschaftskriminalität in Deutschland ein Schaden von geschätzt 100 Milliarden Euro im Jahr. „In der Statistik wird dieser Schaden mir rund vier Milliarden Euro angegeben“, so Fiedler.