Gelsenkirchen. . Die jüdische Gemeinde in Gelsenkirchen feierte in dieser Woche das Thora-Freudenfest „Simchat Thora“ mit Blick auf ein ganz bestimmtes Schriftstück.

Die Heilige Schrift spielt in dieser Woche in der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen eine ganz besondere Rolle: Nach dem jüdischen Neujahrsfest am 2. Oktober und dem Versöhnungstag Jom Kipur am 11. Oktober begann in dieser Woche kurz nach dem „Laubhüttenfest“, das am 16. Oktober startete, am 24. Oktober das Thora-Freudenfest: „Simchat Thora“ wird es auf Hebräisch genannt.

„An diesem Tag wird die Thora, also der erste Teil der hebräischen Bibel, in dem die fünf Bücher Mose verzeichnet sind, von der letzten Seite wieder bis ganz an den Anfang zurück gerollt“, erklärt Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen.

Ein langes Stück Pergament

Dabei muss man sich diese Bibel nicht als Buch, sondern als ein langes Pergamentstück vorstellen, das auf zwei Streben aufgerollt wurde. Gelesen wird die Schrift meist in Form von Gesang. Und die Thorarollen sind in der jüdischen Tradition so heilig, dass sie in einem eigenen Schrein aufbewahrt werden, wenn sie nicht gerade in Gebrauch sind. Auch gibt es für verschiedene Feiertage eigene Ummantelungen für die kostbaren Thorarollen.

An bestimmten Feiertagen werden die Thorarollen in besondere Ummantelungen gehüllt.
An bestimmten Feiertagen werden die Thorarollen in besondere Ummantelungen gehüllt. © Martin Möller

„Am Festtag Simchat Thora stehen die Rollen selber im Mittelpunkt“, verrät Neuwald-Tasbach: „An diesem Tag werden sie während eines Gottesdienstes aus ihrem Schrein geholt und durch den Gebetsraum getragen. Sie werden von den Gemeindemitgliedern regelrecht gefeiert, manche schmeißen sogar Bonbons“, sagt sie.

„Übrigens werden bei diesem Fest nicht nur die Thorarollen gefeiert, die aktuell in Gebrauch sind, sondern auch all’ jene, die nicht mehr koscher sind“, erwähnt die Gemeindevorsitzende – und erklärt: „Da die Thorarollen aus Naturmaterialien wie spezieller Tinte und Pergament bestehen, nagt irgendwann der Zahn der Zeit an ihnen. Wenn eine Solche Schriftrolle Löcher bekommt, oder die Schrift nicht mehr lesbar ist, dann gilt sie als nicht mehr koscher.“

Die katholische Gemeinde spendete Geld für die Restaurierung

Dem Brauch nach müsse jede unkoschere Thorarolle „wie ein geliebter Mensch“ auf dem jüdischen Friedhof begraben werden. „Aber bei unserer bisherigen Rolle haben wir das nicht übers Herz gebracht“, sagt sie, und erwähnt, dass Mitglieder der katholischen Kirche in Gelsenkirchen Geld gespendet hätten, damit die jüdische Gemeinde ihre Lieblings-Thorarolle wieder restaurieren lassen konnte. „Dank dieser Spende haben wir die Schriftrolle zu einem Spezialisten nach Antwerpen in eine Restaurationswerkstatt bringen können“, erzählt Neuwald-Tasbach.

Mit einem Thorazeiger wird die Heilige Schrift gelesen.
Mit einem Thorazeiger wird die Heilige Schrift gelesen. © Martin Möller

„Der Experte hatte eine gute und eine schlechte Nachricht für uns. Die Schlechte war, dass diese Thorarolle nicht mehr zu reparieren ist. Die Gute jedoch war, dass sie sehr viel älter ist, als wir dachten. Wahrscheinlich stammt sie sogar aus dem Jahr 1718. Wir haben zwar noch kein genaues Zertifikat, aber der Fachmann konnte den Zeitraum, in dem sie angefertigt wurde, aufgrund der verwendeten Tinte und des Schriftbildes ziemlich genau eingrenzen“, berichtet sie stolz. So wird die Gemeinde vorerst an dem guten Stück festhalten – und die Rolle an jedem „Simchat Thora-Fest“ feiern.