Gelsenkirchen. . Stadt, Ärzte und Institutionen starten ein System, bei dem nach einer Vergewaltigung oder sexuellem Missbrauch Spuren anonym gesichert werden können.

  • Frauen haben die Möglichkeit, Spermaspuren oder DNA nach einer Vergewaltigung in einer Klinik zu sichern.
  • Diese werden für zehn Jahre aufbewahrt und können bei einer möglichen Anzeige verwendet werden.
  • Für Opfer sexuellen Missbrauchs entfällt so der Druck, die Tat direkt anzeigen zu müssen.

Frauen, die vergewaltigt oder sexuell missbraucht wurden, soll in Gelsenkirchen mit einem neuen System nun besser geholfen werden können. Mittels des Verfahrens der Anonymen Spurensicherung (ASS) bieten Krankenhäuser die Möglichkeit, sofort nach einer Tat Spuren zu sichern. Der Druck, möglichst zeitnah eine Anzeige zu erstatten, entfällt dabei.

Ziel ist es, Frauen die Möglichkeit zu geben, sich die Zeit zu nehmen, die sie brauchen, um so zu einem späteren Zeitpunkt eine Strafanzeige zu stellen. Bislang gab es diese Möglichkeit in Gelsenkirchen nicht. Opfer konnten die Straftat entweder direkt bei der Polizei melden oder mussten auf eine Anzeige verzichten.

Täter aus dem Bekannten-, Verwandten- oder Freundeskreis

Stadt, Ärzte und Institutionen, die mit Frauen zusammenarbeiten, haben das Modell der Anonymen Spurensicherung nach dem Vorbild anderer Städte gemeinsam entwickelt. „Uns war es wichtig, das Konzept von der Basis aus zu erarbeiten“, sagt Brid Selting von der ebenfalls involvierten Frauenberatungsstelle. Alle Krankenhäuser, denen eine Gynäkologie angeschlossen ist, beteiligen sich daran.

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Dazu zählen neben den Evangelischen Kliniken das Marienhospital Buer und Ückendorf. Die Ärzte nehmen dort Abstriche, die neben Dokumentationsbögen oder beschmutzten Kleidungsstücken in einer Box aufbewahrt werden. Diese gesicherten Spuren werden dann für zehn Jahre im Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Essen unter einer Chiffrenummer gelagert.

„Nach einer Tat ist eine Frau erst einmal emotional sehr aufgewühlt. Bei der Überlegung, ob sie diese anzeigen möchte, geht viel wertvolle Zeit verloren“, sagt Michael Krämer, niedergelassener Gynäkologe und Mitglied im Berufsverband der Frauenärzte, der an der Entwicklung des Verfahrens in Gelsenkirchen beteiligt war. Hinzu kommt: In der Mehrzahl der Fälle stamme der Täter aus dem Bekannten-, Verwandten- oder Freundeskreis. Vorbehalte, eine Anzeige zu erstatten, seien da zum Teil umso größer.

Je früher, desto besser

Je frühzeitiger die Untersuchung nach einer Tat erfolgt, desto besser für die Spurensicherung. Die Frauenberatungsstelle sei immer wieder mit Frauen konfrontiert, die die Tat nicht direkt anzeigen wollten oder nicht dazu in der Lage waren. „Ich schätze, dass das Verfahren der Anonymen Spurensicherung rund zehn Frauen pro Jahr helfen wird“, sagt Brid Selting.

An der Etablierung eines ähnlichen Verfahrens für Männer werde gearbeitet. „Aber irgendwo muss man ja anfangen“, sagt Krämer.