Gelsenkirchen. Über 1000 Besucher genossen am Samstag das erste Sardellenfest am Wissenschaftspark in Ückendorf.

Nora malt kleine Fische. Die Zwölfjährige ist eines von etwa 70 Kindern, die am Malwettbewerb der Arbeiterwohlfahrt (Awo) teilnehmen. Er steht unter dem Motto „Vielfalt“; die kleinen Künstler können malen und basteln, was ihnen dazu einfällt.

Als das Bild der zierlichen Syrerin fertig ist, thront ein größerer Fisch über den kleinen. „Sardelle“, sagt Nora. Das Mädchen hat die Idee des Fests intuitiv begriffen.
Denn die Sardelle ist ein kleiner Fisch, der Großes leistet, ohne dass man sich dessen unbedingt gewahr ist.

Er verbindet Völker. Aus der mediterranen Küche ist er kaum wegzudenken. Die Italiener nennen ihn Acciuga, die Spanier Boquerón, die Türken Hamsi. Und weil die mediterrane Kochkunst hierzulande längst Fuß gefasst hat, rutscht die Sardelle auch vielen Deutschen gern über den Gaumen.

Sardelle gibt’s gebraten, mariniert auf Reis oder im Kuchen

Zubereitet wird sie am Samstag unterschiedlich, je nach Landessitte. Sie wird gebraten, mariniert auf Reis serviert oder steckt in einem Kuchen. Der Portugiese Antonio Horta frittiert sie; seine Schwester Mariana Neth reicht sie schlicht mit einem Stück Zitrone oder mit einer hausgemachten Zwiebelsauce. Sie schmecken köstlich.

Es ist ein buntes, friedliches Fest. Die bedrohlichen Wolken, die sich gegen 15.30 Uhr zusammenbrauen, verschwinden schnell wieder. Die blauen Engel aus Gelsenkirchen-Horst haben ihre schönste Tracht angezogen; sie werden später einen türkischen Volkstanz aufführen. Zuvor, am Beginn der Fischparty, besteigen vier jugendliche Syrer aus Aleppo die Bühne. Nawar Khadra, Mohmad Kador, Ibrahem Matik und Mohmads Bruder Ali singen Volkslieder und Hip-Hop. Sie sind seit einem Jahr in Deutschland. Die Volkslieder klingen traurig und stecken voller Sehnsucht. Die Leute klatschen.

Seit Mai 50 Patenschaften für unbegleitete Flüchtlinge vermittelt

Junge Menschen wie diese vier, die in den vergangenen Jahren nur Terror, Krieg und Angst erlebt haben, müssen integriert werden, weiß Brigitte Becker, die sich für die Awo genau darin engagiert. Die 63-jährige, frühere Lehrerin sagt: „Wir haben seit Mai 50 Patenschaften vermittelt.“ Auch an diesem Samstag ist die sympathische Frau unterwegs. „Gerade hat ein Mann gleich zwei Patenschaften übernommen“, freut sie sich. Becker selbst kümmert sich um Allaudin aus Afghanistan. Aber nicht als Ersatzmutter. „Er wollte mich Oma nennen“, erzählt die jung gebliebene Gelsenkirchenerin. „Ich habe gesagt, nenn‘ mich lieber Tante.“

Passend zum Fest hat das Kommunale Integrationszentrum Gelsenkirchen (KiGe) ein kleines Buch herausgegeben. In „Hansi Hamsi“ erzählt eine kleine Sardelle die rührende Geschichte ihrer Reise vom Rhein-Herne-Kanal im Nordsternpark bis ins Schwarze Meer und zurück. Bedia Torun von der Awo-Integrationsagentur wird später aus dem Büchlein vorlesen.

Am Ende der 44 Seiten heißt es „Fortsetzung folgt . . .“. Übertragen auf das schöne erste Gelsenkirchener Sardellenfest ist nur festzuhalten: hoffentlich.