Gelsenkirchen. Heiner Szamida lebt seit 33 Jahren in der Künstlersiedlung, die nun umgebaut wurde.

  • Im Sommerinterview bedauert Künstler Heiner Szamida den massiven Umbau des Kunsthofes
  • Dem Maler fehlt vor allem die große Ausstellungshalle, die inzwischen abgebrochen worden ist
  • Außerdem kritisiert er die fehlende Kommunikation unter den Bewohnern, die er kaum kennt

Er ist ein echtes Kind des Reviers: 1952 in Gelsenkirchen geboren, blieb er seiner Heimatstadt bis heute treu: Künstler Heiner Szamida, der an der Folkwangschule Essen studierte, lebt und arbeitet seit nunmehr 33 Jahren in der einst so renommierten Künstlersiedlung Halfmannshof. Wir sprachen mit dem 64-Jährigen über das Leben in Zeiten des Umbruchs, über herbe Verluste und neue Hoffnungen.

Sie leben seit über drei Jahrzehnten auf dem Halfmannshof, der sich seit 2012 massiv in der Umstrukturierung befindet. Wie geht es Ihnen heute in der einstigen Künstlersiedlung?

Heiner Szamida: Nun ja, von den Ehemaligen wohnen ja neben mir nur noch Helmut Kloth und die Buchbinderfamilie Klein auf dem Halfmannshof. In den anderen Gebäuden gab es in den letzten Jahren eine große Fluktuation. Das Zusammenleben und den Austausch von früher gibt es heute nicht mehr. Die Bewohner der Neubauten kenne ich bis auf einen gar nicht.

Da stellt sich niemand vor, der in ein solches Kreativquartier, das ja ein Verbund von Menschen sein soll, einzieht?

Szamida: Bislang bin ich immer auf die neuen Menschen hier zugegangen. Aber ehrlich gesagt, da bin ich auch langsam müde. Früher gab es immer gute Kontakte und Kommunikation unter den Künstlern, so verstehe ich auch das Zusammenleben kunstaffiner Menschen. Was hier früher lebte und arbeitete, könnte man heute auch gut unter Kreativwirtschaft einordnen.

Das klappt seit der Umstrukturierung nicht mehr?

Szamida: Nein, aber es ging bei diesem Umbau ja im Grunde auch nur um wirtschaftliche Interessen. Schon in einer frühen Planungsphase, als man den damaligen Vorstand der Künstlersiedlung eingeladen hatte, hieß es von der GGW: Wir sind keine Kunstförderer, sondern Wirtschaftsunternehmer. Dabei war ja auch der Abriss der Ausstellungshalle teuer. Der geplante Verkauf der neu gebauten Reihenhäuser hat nicht funktioniert, das Vermieten verläuft schleppend. Ob die Bewohner kunstaffin sind wie gefordert? Keine Ahnung!

Was fehlt Ihnen besonders am alten Halfmannshof?

Szamida: Ich bin kein Nostalgiker, ich blicke in die Zukunft. Dennoch: Die alte Ausstellungshalle und die großen Ateliers fehlen sehr. Sie haben den Hof ausgemacht. Das war ein Pfund, mit dem die Stadt wuchern konnte und das gibt es jetzt nicht mehr. Die Ausstellungshalle war das Herzstück des Halfmannshofes und ein hervorragender Kommunikations- und Repräsentationsort. Die heutigen Räume sind für Ausstellungen und kreative Arbeit völlig ungenügend, der Raum in der Alten Schmiede ist in seiner angedachten Multifunktion viel zu klein. Auch heute brauchen Künstler noch immer große Ateliers, die arbeiten nicht nur am Laptop. Die großen Räume gibt es in den kleinen Wohnungen nicht.

Wie lebt es sich heute für Sie auf dem Hof?

Szamida: Ich mache ja weiterhin meine Kunst, habe meine Werkstatt hier und arbeite sehr motiviert. Was fehlt, ist der Kontakt und der Austausch mit Künstlern wie Jiri Hilmar. Wer heute hier auf dem Hof logiert, das kriegt man kaum mehr richtig mit, der Austausch funktioniert nicht mehr.

Waren aber nicht Veränderungen der bestehenden Hofstruktur notwendig?

Szamida: Ja, das stimmt, da ist zuletzt einiges nicht mehr gut gelaufen ist. Das hätte man sicherlich verändern und verbessern können, es hätte da Alternativen gegeben. Aber man wollte hier einfach bauen und verkaufen, Geld machen, das macht mich bis heute traurig.

Man hätte einen Neuanfang auch anders gestalten können. Es gab auf dem Halfmannshof immer auch landesweit bedeutende Projekte. Jetzt gibt es nichts mehr und man kann auch nichts mehr machen.

Optisch hat sich der Halfmannshof inzwischen sehr verändert. Wenn Sie unterwegs sind und abends auf den Hof zurückkehren, was empfinden Sie dann?

Szamida: Nun, ich vermisse inzwischen die Anmutung eines Kunstortes, die Geschlossenheit des Hofes. Der einstige Charme fehlt. Landschaftlich hat die Anlage sehr verloren durch die Abholzung der alten Bäume. Der alte Eingangsbereich ist weg. Der Blick auf die Ausstellungshalle fehlt mir und Autos, die zu schnell über die Wege fahren, stören.

Was planen Sie in den nächsten Monaten?

Szamida: Nach der aktuellen Ausstellung in Hildesheim will ich demnächst in meinem Atelier Kabinettausstellungen etablieren, mit überregionalen Künstlern, aber auch mit Werken Gelsenkirchener Künstler, die inzwischen leider in Vergessenheit geraten sind, zum Beispiel Dr. Clemens. Ich werde auch weiterhin Kinder und Schulklassen einladen und mit ihnen künstlerisch arbeiten. Und wenn möglich, einen außerschulischen Lernort etablieren. Ich bin kein Künstler, der im Elfenbeinturm lebt, ich vermittle Kunst auch sehr gerne. Die Kinderkunstausstellungen von 2003 bis 2011 sind ein guter Beleg dafür.

Wo sehen Sie den Halfmannshof in zehn Jahren?

Szamida: Ich hoffe, dass er sich gut entwickelt. Ich hoffe, dass es dann wieder eine Ausstellungshalle gibt und dass tatsächlich kunstaffine Menschen hier wohnen. Ich hoffe, dass es dann hier so eine Art Zusammenhalt gibt auf einem höheren Niveau. Hilmar war so ein Künstler von internationalem Ruf, so einer sollte wieder hier leben und arbeiten. Beim Thema Kreativwirtschaft aber bin ich skeptisch, darum bemühen sich zurzeit so viele Städte.

Zurzeit bringt das städtische Kulturreferat im Rahmen des europäischen Austauschprogramm „Erasmus for Young Entrepreneurs“ Jungunternehmer auf dem Hof unter. Ein guter Weg in die Zukunft für Siedlung und eine gute Werbung für die Stadt?

Szamida: Von den einquartierten Personen des Erasmus-Projektes im Halfmannshof habe ich erst aus der WAZ erfahren. Die Kommunikation ist sehr bescheiden. Ich weiß nicht, was diese Jungunternehmer überhaupt machen. Das Erasmusprojekt ist breit aufgestellt, der kreativwirtschaftliche Aspekt nur ein Teilbereich.

Ob und wie diese neuen Jungunternehmer tatsächlich im Kreativbereich arbeiten, ist mir nicht bekannt. Wenn ich mir vorstelle, dass hier vor Ort die ehemaligen Ateliers und die Ausstellungshalle noch zur Verfügung stehen würden, dann gäbe dies einen ganz anderen und viel großzügigeren Spielraum für die Kreativwirtschaftler und nicht nur, wie gegegeben, Schlaf- und Wohnraum.

Ob dieser auf Schlafen, Wohnen und Arbeiten in einer Gastfirma beschränkte Aufenthalt Nachhaltigkeit für Gelsenkirchen bewirkt, bezweifel ich.