Gelsenkirchen. Marcus Kottmann leitet das NRW-Zentrum für Talentförderung. Der Umzug nach Ückendorf beinhaltet für ihn auch die Botschaft: Hier ist eine „To-go-Area“.
Der Leiter des Donnerstag offiziell eröffneten NRW-Zentrums für Talentförderung, Marcus Kottmann (47), ist von Haus aus Chemiker. Innovative Kompetenzentwicklung ist dennoch schon lange sein Thema.
Herr Kottmann, ihr Profilbild bei Facebook enthält ein Bild, das Nelson Mandela zeigt. Was haben Sie mit ihm gemein?
Marcus Kottmann: Das Bild von Nelson Mandela wurde von Schülern an die Außenwand des Carl-Humann-Gymnasiums in Essen-Steele gemalt. Ich bin mit meiner Frau und meinen Kindern immer dort vorbeigekommen. Der Spruch passt wie ich meine gut zur Arbeit der Talentförderung. Dass jeder seine Chancen haben, seine Potenziale nutzen sollte.
Sie leiten das neue NRW-Zentrum für Talentförderung. Die Servicestelle in Gelsenkirchen bekommt 1,5 Millionen Euro Förderung im Jahr, das Pilotprojekt zur Ausweitung des Talentscoutings auf andere NRW-Hochschulen wird mit bis zu 6,4 Millionen Euro pro Jahr unterstützt. Reicht das Geld?
Kottmann: Für die ersten sieben Hochschulen, die wir bisher betreuen, reicht es. 35 Scouts haben wir hier im Revier aktuell. Vor einem Jahr gingen wir noch davon aus, dass wir das Projekt bis 2020 allein im Ruhrgebiet aufbauen. Dann kamen Anfragen aus dem ganzen Land, die nächste Ausschreibung NRW-weit zu öffnen. Es ist sehr schön, dass so viele Hochschulen nach so kurzer Zeit teilnehmen wollen. Universitäten übrigens genauso wie Fachhochschulen.
Was sind die besonderen Herausforderungen dieser Ausdehnung?
Kottmann: Die Beteiligten an den sieben Ruhrgebietshochschulen kannten sich zu Beginn des Projektes häufig schon ganz gut. Wir konnten auf vorhandenen Strukturen und Netzwerken aufbauen wie die TalentMetropole Ruhr, RuhrFutur, gemeinsame Projekte der Fachhochschulen und Universitäten... Wir müssen sehen, wer jetzt hinzukommt und wie groß die Herausforderung dann sein wird. Bekanntgegeben werden die neuen Hochschulen Ende August von der Wissenschaftsministerin.
Wie viele Talente fördern Sie mittlerweile im Ruhrgebiet?
Kottmann: Etwa 1600. Die WH arbeitet mit 30 Schulen zusammen, bei allen Hochschulen zusammen sind es 75 Schulen. Bis zum Jahresende sollen 100 erreicht werden. Für jeden Scout rechnen wir nach zwei bis drei Jahren – wie bei Suat Yilmaz – mit acht bis zehn Schulen und 400 bis 500 Schülern. Da manche Scouts erst Ende März eingestellt wurden, braucht es noch etwas Zeit. Wo das unter Volllast hinführen kann, sieht man in Gelsenkirchen zum Beispiel an der Gesamtschule Horst. Die ist eine Schule der ersten Stunde. Dort ist auch ein studentischer Scout vor Ort, die selbst an der Schule ihr Abitur gemacht hat. Und die Schule hat eigenständig ein Programm entwickelt aus Bordmitteln, um die Förderung intern schon auf die Sekundarstufe I zu übertragen, damit mehr Kinder die Oberstufe erreichen. Das ist jetzt eine schöne Entwicklung, aber das kann Schule nur selbst machen. Unser Credo lautet: Schule und Hochschule arbeiten auf Augenhöhe.
Sie beziehen jetzt das schöne alte Arbeitsgericht in Ückendorf. Welche Vorteile hat das gegenüber dem Standort an der Hochschule?
Kottmann: Zum einen haben wir hier Wachstumsmöglichkeiten. An der WH hatten wir keine zusammenhängenden Räume in dieser Größenordnung. Am NRW-Talentzentrum soll auch Forschung stattfinden. Verwaltungsstellen, Kommunikation, Talentscouts sowie die Servicestelle für Hochschulen, die auch die Qualifizierung der Talentscouts durchführt, Beratung und Fortbildung für Lehrer und Studienberater anbietet, werden im neuen Gebäude ansässig sein. Zudem liegen wir hier am Bahnhof sehr zentral, sind gut mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar für unsere Partner aus dem Ruhrgebiet bzw. zukünftig aus ganz NRW. Auch für die Schüler ist es ideal, weil gut zu erreichen. Und es ist ein schönes Haus, das auch unsere Wertschätzung für die Talente ausdrückt. Auch der Stadtteil hat eine besondere Symbolkraft. Allein er ist für uns eine Botschaft: Das Zentrum für Talentförderung kommt nach Ückendorf und sagt damit, dass Ückendorf eine „To-Go-Area“ ist. Gerade hier gibt es viele Jugendliche aus weniger privilegierten Familien. Wir werden daher die Zusammenarbeit mit der Gesamtschule Ückendorf auch noch weiter intensivieren, das Talentscouting wird hier bereits angeboten.
Was sind die Kernaufgaben des NRW-Zentrums für Talentförderung?
Kottmann: Wir wollen den Aufbau des Talentscoutings an den neu hinzukommenden Hochschulen stützend moderieren. Wir wollen sie kommunikativ begleiten und eigene Konzepte unterstützen. Drittens geht es darum, neue Instrumente zu entwickeln, Lücken bei der Talentförderung zu entdecken und zu schließen und zusätzliche Mittel für neue Projekte zu gewinnen. Ein erstes ist schon gelungen und wird direkt mit in Ückendorf einziehen. Wir haben zu Jahresbeginn das Projekt Ruhrtalente gestartet, ein neuartiges Schülerstipendium für Jugendliche ab der 8. Klasse aller Schulformen.
Dafür bekommen Sie auch finanzielle Unterstützung?
Kottmann: Die RAG-Stiftung finanziert das Programm bis 2020 mit mindestens 1,4 Millionen Euro, Ziel ist das Erleichtern der Übergänge von der Schule in alle Ausbildungen, gleich ob an die Hochschulen oder in eine Berufsausbildung. Das Projekt profitiert vom Scouting, das in Schulen persönlich vertreten ist. Die Scouts wiederum bekommen so ein zusätzliches Instrument der Förderung in die Hand. Bisher gab es finanziell keine Möglichkeit für kulturelle Bildung, Ferienakademien, Auslandsaufenthalte. All das geht über das neue Stipendium.