Gelsenkirchen. . Seit 22 Jahren verwöhnen die Tölles ihre Kunden an ihrem Kiosk an der Bergmannstraße. Dafür brät die Chefin auch morgens um halb fünf Frikadellen.

Bei Manuela Tölle klingelt der Wecker werktags um 3.30 Uhr. Gleich nach dem Frühstück beginnt sie, Frikadellen und Schnitzel zu braten. 25 bis 40 Frikadellen sind Standard, wenn es Sonderbestellungen gibt, können es auch mehr sein. Um 5.30 Uhr geht das Rollo an ihrer Bude hoch. Gemeinsam mit Ehemann Dieter steht sie seit 22 Jahren hinter der Scheibe ihrer „Bude“ an der Bergmannstraße 160. Vorher hatten die Hausbesitzer selbst, die Familie Wismann, den Kiosk betrieben. Seit 1976, vorher hatte die Landwirtin am gleichen Ort einen Hofladen betrieben. Die Tradition ist also lang.

Ein Mann kommt die Stufen hoch. Als er den Verkaufstresen erreicht hat, liegen schon zwei Packungen Stuyvesant auf dem Tablett. Wortlos tauschen Geld und Zigaretten den Besitzer. „Haste heute aber spät Schichtende, was?“, fragt Manuela Tölle. „Is’ manchmal so“, kommt knapp die Antwort und schon ist der Mann weg.

Die Chefin weiß, wie die Kunden ihren Kaffee trinken

Frische Kartoffeln, Zwiebeln und Eier gehören zum Standardsortiment in Dieter Tölles Kiosk. Auch heute noch.
Frische Kartoffeln, Zwiebeln und Eier gehören zum Standardsortiment in Dieter Tölles Kiosk. Auch heute noch. © Foto: Martin Möller / Funke Fot

Manuela Tölle erzählt, dass sie eigentlich bei allen Stammkunden die Familienverhältnisse kennt, und vor allem weiß, wie sie ihren Kaffee trinken und welche Zigaretten sie wollen. Kaffee ist neben Tabak, Frikadellen, losen Süßigkeiten und frisch belegten Brötchen – gern auch auf Bestellung – ein Dauerbrenner. Die beiden großen Kaffemaschinen werden bis zu viermal täglich befüllt.

Postservice gibt es auch bei Tölle. Giovanni kommt mit einem Päckchen. Der Chef strahlt. „Giovanni ist mein Freund. Er macht gerade ein Praktikum nebenan. Er ist Italiener, studiert Maschinenbau.“ Man kennt sich halt. Die Tölles wohnen im Haus. Schon immer. „Anders geht das nicht. Als wir hier angefangen haben, waren die Kinder klein. Da muss man da sein. Und wir haben ja immer geöffnet.“ 5.30 bis 21 Uhr werktags, sonntags erst ab acht Uhr und am Wochenende generell mit Mittagspause „damit man auch mal in Ruhe Mittagessen kann“.

Arbeiter und Handwerker, die zum Dienst müssen, haben morgens Vorrang

Täglich frisch brät die Chefin ihre Frikadellen und Schnitzel, direkt nach dem Aufstehen.
Täglich frisch brät die Chefin ihre Frikadellen und Schnitzel, direkt nach dem Aufstehen. © Foto: Martin Möller / Funke Fot

Dieter Tölle arbeitet „nebenbei“ 31 Stunden je Woche bei Thyssen-Krupp, in Wechselschicht. Was Arbeit ist, weiß er. Und deshalb werden die Arbeiter und Handwerker, die sich hier ihr Frühstück und ihre Pausenmahlzeit holen („Männer nehmen gern Süßes, Brötchen mit Schaumkuss zum Beispiel“) auch zu den Stoßzeiten bevorzugt. „Wenn dann jemand kommt, der den ganzen Tag Zeit hat, muss der warten,“ ist für die Chefin selbstverständlich.

Dienstags gibt es schon ab morgens frischen Spießbraten mit Krautsalat

Der süße Klassiker – Brötchen mit Schokoschaumkuss – ist vor allem bei Männern beliebt, hat Manuela Tölle festgestellt.
Der süße Klassiker – Brötchen mit Schokoschaumkuss – ist vor allem bei Männern beliebt, hat Manuela Tölle festgestellt. © Foto: Martin Möller / Funke Fot

Eigentlich gibt es hier alles zu kaufen, von Kartoffeln, Eiern, Wurst, Tiefkühlkost über Waschmittel bis zu Zahnbürsten – „für LKW-Fahrer. Aber Frisches haben wir nur noch in kleineren Mengen. Seit die Supermärkte lange aufhaben, merken wir das.“ Apropos Frisches: Dienstags gibt es hier Spießbraten mit Krautsalat; ab 5.30 Uhr. Und die werktätigen Stammkunden bekommen für ihre Getränke eine Kühltasche als Gratis-Leihgabe. „Wenn es doch heiß ist...“.

Natürlich stemmen die Tölles die Monster-Öffnungszeiten nicht allein, sondern mit Aushilfen, auch für die Urlaube. Aber die Aushilfen wissen nicht immer, wer seinen Kaffee wie trinkt. „Dieter, gib mal ‘nen Kaffee mit Milch, ein Stück Zucker“, sagt Manuela gerade, als ein Mann aus einem grauen Kombi steigt. Er kommt zum Tresen, legt drei Münzen hin, nimmt den dampfenden Kaffeebecher und geht wieder zum Auto. So ist das hier.

Am „Tag der Trinkhalle“ gibt es ein gemischte Tüte voller Kultur 

Der Kiosk der Tölles gehört zu den beiden unter den Gelsenkirchener Bewerbern auserwählten Trinkhallen, die von der Ruhr Tourismus GmbH am ersten Tag der Trinkhalle, am 20. August, mit Kulturprogramm „bespielt“ werden.

Eine Tüte Lakritz für fünf Euro? Auch Erwachsene können bei den bunten Leckereien oft nicht widerstehen, wissen die Tölles.
Eine Tüte Lakritz für fünf Euro? Auch Erwachsene können bei den bunten Leckereien oft nicht widerstehen, wissen die Tölles. © Foto: Martin Möller / Funke Fot

Der andere „Auserwählte“ ist eigentlich gar keine klassische Bude, sondern etwas ganz Neues. Es ist die sogenannte Erzbahnbude, also der bei Freizeitradlern beliebte Kiosk an der Erzbahntrasse, im Städtedreieck Gelsenkirchen, Wattenscheid, Essen. Auch diesen Kiosk wird die WAZ natürlich noch vorstellen.

Was genau an jenem 20. August, dem Trinkhallen-Aktionstag also, wirklich am Kiosk der Familie Tölle zu sehen und erleben ist, wissen die Betreiber selbst noch nicht genau. „Gemischte Tüte“ nennt die Ruhr Tourismus das Genre, das sie für diese Trinkhalle mit ihrem großzügigen Vor- und Nebenplatz bestimmt haben. Live-Painter, musikalische Schmankerl, Fußballtradition oder Retro Gaming werde geboten, heißt es im Programm. Die Tölles hoffen insgeheim auf blau-weiße Prominenz. Einen Promi-Gast wird es auf jeden Fall geben.