Gelsenkirchen. . Vor genau 125 Jahren eröffnete der gebürtige Masure Johann Lux seine Metzgerei in Schalke. Im Jubiläumsjahr nun endet die Tradition mit dem Enkel.

Nein, sie MÜSSEN nicht aufhören. Der Laden laufe gut, die Stammkunden seien treu, versichern Johann und Anna-Maria Lux. Trotzdem geht am 30. Juli in Schalke eine Tradition zu Ende: Die Fleischerei Lux, seit genau 125 Jahren vor Ort, die allermeiste Zeit an der Wilhelminenstraße, schließt dann für immer ihre Pforten. Zum Jubiläum hat die Innung schon gratuliert. Johann Jürgen Lux hat den Betrieb 50 Jahre geleitet, den er selbst vom Vater übernommen hat, dieser wiederum vom Großvater.

Abschied mit einem lachenden und einem weinenden Auge

Johann und (die damals gerade schwangere) Anna-Maria Lux bei den großen Feiern zum 100. Jubiläum vor ihrer Fleischerei an der Wilhelminenstraße.
Johann und (die damals gerade schwangere) Anna-Maria Lux bei den großen Feiern zum 100. Jubiläum vor ihrer Fleischerei an der Wilhelminenstraße. © Michael Korte

Warum die Familie den Laden schließt, obwohl er läuft? „Wir haben einfach das Alter und wollen unseren Ruhestand noch ein wenig genießen!“ erklärt Johann Lux (fast 75), der bis heute ebenso wie seine Frau Anna-Maria morgens um Fünf mit der Arbeit beginnt und dessen Arbeitswoche oft noch 80-Stunden umfasst.

Der Abschied fällt dem Ehepaar nicht leicht. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen sie dem Ruhestand entgegen. Einerseits werden sie endlich Zeit für ihre Hobbys (Autos, Musicals) und für die Freunde haben. Die sind nämlich längst im Ruhestand und drängeln immer, wenn die Luxens früh heimgehen, weil um fünf Uhr früh die Arbeit ruft. Andererseits fürchtet das Paar, die Kunden zu vermissen. „Und ich leide jetzt schon, wenn ich dran denke, woher ich dann meine gute Wurst herbekommen soll?“, klagt Johann Lux, nur halb scherzhaft. Man sei noch in der Testphase der Waren von der Konkurrenz, zwinkert Tochter Johanna.

Tochter Johanna hat sich fürs Studium statt fürs Geschäft entschieden

Ein Foto von 1991:  Chef Johann Jürgen Lux 1991 bei der Arbeit, sprich beim Wursten.
Ein Foto von 1991: Chef Johann Jürgen Lux 1991 bei der Arbeit, sprich beim Wursten. © Funke Foto Services

Auch sie, die heute 24-Jährige, ist derzeit mit im Geschäft. Sie hat erst ihren Bachelor in Betriebswirtschaftslehre gemacht, bevor sie die Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin im elterlichen Betrieb begann. Sie hatte überlegt, ob sie selbst in den Laden einsteigt. Nun hat sie sich jedoch entschieden, nach der Gesellenprüfung im Juni dieses Jahres ins Masterstudium zu gehen. „Ich möchte auf jeden Fall beruflich etwas mit Lebensmitteln machen. Gern auch mit Fleisch. Aber jetzt ist erst das Studium dran,“ erklärt sie ihre Pläne.

Aus Masuren des Bergbaus wegen nach Schalke gekommen

Johann Jürgen Lux (l) mit Papa und Bruder Friedhelm vor der Bullenstatue am Schlachthof.
Johann Jürgen Lux (l) mit Papa und Bruder Friedhelm vor der Bullenstatue am Schlachthof. © Funke Foto Services

Firmengründer Johann Lux stammte aus Masuren. Ins Ruhrgebiet hatte ihn eigentlich der Bergbau gelockt. Aber die Arbeit unter Tage gefiel ihm nicht. Zehn Jahre arbeitete er als Fleischergeselle, bevor er 1891 den Betrieb in Schalke, zunächst an der Grenzstraße, eröffnete.

Hier lebte halb Gelsenkirchen, hier schlug das Herz der Stadt, die dank der boomenden Kohle gerade explodierte. 30.000 Einwohner hatte Gelsenkirchen bei Gründung der Metzgerei – die Hälfte davon lebte in Schalke. In Fußweite zu den Zechen Consolidation und Wilhelmine Viktoria. Der Appetit auf Fleisch war groß. Und die Wurst von Lux wurde schnell legendär.

Familienrezepte wurden von Generation zu Generation vererbt

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Die Wurstrezepte gab Johann weiter an den Sohn Fritz. Auch dessen drei Kinder blieben dem Metier treu. Sohn Johann Jürgen heiratete mit Anna-Maria Horstmann gar die Tochter einer anderen lokalen Metzgerdynastie. Auch Tochter Johanna kennt nun die alten Familien-Wurstrezepte. Grützwurst im Naturdarm, Fleischwurst ohne Soja, „vergoldete“ Leberwurst.

Bis heute wird im Hause Lux selbst zerlegt und gewurstet. Bis zum Schluss, also bis zur letzten Verkaufswoche im Juli, soll das auch so bleiben. „Wie genau wir den Ausverkauf am Ende gestalten, ist noch offen. Und was übrig bleibt, wollen wir der Tafel spenden“, kündigt die Chefin an.