Gelsenkirchen. Der 48-Jährige übernimmt die Titelrolle in der Uraufführung der weltersten Steampunk-Oper am Gelsenkirchener Musiktheater.

Er hält alle Fäden fest in der Hand. Der 48 Jahre alte Ludwigsburger Sänger und Schauspieler Rüdiger Frank steht in der Uraufführung der weltersten Steampunk-Oper in einer Doppelrolle auf der Bühne des Musiktheaters. Der großartige, nur 134 Zentimeter große Künstler schlüpft in die Haut des Dichters E.T.A Hoffmann und in die des missgestalteten Gnoms Klein Zaches. WAZ-Redakteurin Elisabeth Höving sprach zwischen den Proben mit dem Schauspieler über Werk, Vita und die Widrigkeiten des Lebens.

Sie sind nicht zum ersten Mal zu Gast in dieser Stadt. Was verbindet Sie mit Gelsenkirchen?

Rüdiger Frank: Die Stadt ist mir wegen Schalke schon sehr lange ein Begriff, auch wenn ich nicht so ein passionierter Fußballfan bin. Aber als ich zum ersten Mal im Hotel Maritim übernachtet habe und da Bücher, Plakate und viele andere Schalke-Objekte gesehen habe, da hat mich das sofort angesprungen und ich dachte: Wow, die sind hier richtig involviert!

Und wie entstand der nun schon viele Jahre währende Kontakt zum Musiktheater?

Frank: Ich pflege eine große Freundschaft zum Intendanten Michael Schulz, den kenne ich noch aus seiner Weimarer Zeit. Er holte mich dann früh hierher und danach immer wieder. Wir sind zusammen sogar um die Welt gereist. In der „Parsifal“-Inszenierung 2013 für die Salzburger Festspiele war ich der Klingsor-Darsteller, damit waren wir dann auch in Peking.

In Gelsenkirchen gelten Sie längst als Publikumsliebling. . .

Frank: Ich bin auch wirklich gerne hier, stand zuletzt 2013 im „Weißen Rössl“ auf der MiR-Bühne. Das ist immer wie ein Besuch bei Freunden. Hinter den Kulissen geht es familiär zu, da gibt es kein Kastensystem. Das ist längst nicht an jedem Haus so.

Sie sind in Stuttgart geboren und entdeckten die Bühne mit 18 Jahren für sich. Warum gerade dann?

Frank: Das stimmt. Ich war damals unzufrieden mit meinen Standing im Leben. Ich absolvierte eine Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher und dachte: Will ich wirklich die nächsten 50 Jahre in einer Werkstatt sitzen? Damals griff ich dann zum ersten Mal zur Gitarre, denn eigentlich wollte ich schon mit sieben Jahren Rockstar werden (lacht)!

Inzwischen spielen Sie gleich in mehreren Bands.

Frank: Ja, mit der Formation „Romeo is bleading“ widmen wir uns vor allem Tom Waits, ich musiziere auch in einer Undergroundband. Ich spiele nicht wirklich gut Gitarre, aber leidenschaftlich (lacht), bekam schnell Plattenverträge, schrieb eigene Songs. Ich hab’ da ein Sendungsbewusstsein.

Sie mimen nun die Märchenfigur Klein Zaches, einen missgestalteten Menschen. Hat es Sie geärgert, dass man ausgerechnet Ihnen diese Rolle angeboten hat?

Frank: Nein, überhaupt nicht. Ich scherze vielmehr und sage: Sehen Sie mich an, wer sonst sollte Klein Zaches spielen?

Kannten Sie die Erzählung von E.T.A. Hoffmann?

Frank: Oh ja, ich habe die schon mit 18 Jahren gelesen, weil ich mich damals sehr intensiv mit mir selbst auseinander gesetzt habe, weil ich wissen wollte, wie andere Menschen mit der Erkrankung umgehen. Viele davon sind Künstler geworden. Heute komme ich gut damit zurecht, kann sogar darüber lachen und sagen: Ich bin so, wie ich bin. Im Grunde bin ich nichts anderes als Claudia Schiffer, die auch wegen ihres Aussehens gebucht wird. Ich gehe allerdings bis heute ungern an Spiegeln vorbei.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den sechs Herren von der Berliner Rockband „Coppelius“?

Frank: Ganz wunderbar, schließlich leben die Herrschaften schon seit 200 Jahren, sind abgeklärt, illuster und bringen eine gewisse Lebenserfahrung mit sich. Zwischen uns gab es nie ein Fremdkörpergefühl, obwohl ich für die ja nur ein Teilzeit-Frontmann bin.

Kannten Sie sich schon vorher in der Steampunk-Szene aus?

Frank: Überhaupt nicht, wohl in der Gothic-Szene, beide sind sich aber nicht unähnlich. Steampunk hat sowohl etwas mit Rollenspielen als auch mit einem Lebensgefühl zu tun. Und er hat irgendwie auch was mit Charlie Chaplins Film „Moderne Zeiten“ zu tun, mit Hybriden zwischen Mensch und Maschine. Und manchmal können Menschen eben auch zwischen die Räder geraten, auch davon erzählt diese Oper.

Info

Premiere feiert die Steampunk-Oper „Klein Zaches, genannt Zinnober“ mit Rüdiger Frank in der Titelrolle am heutigen Samstag, 14. November, um 19.30 Uhr im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am Kennedyplatz.

Unter der Regie von Sebastian Schwab bestreitet die Berliner Rockband „Coppelius“ das Stück gemeinsam mit den beiden Schauspielerin Ulrike Schwab und Rüdiger Frank. Außerdem musiziert die Neue Philharmonie Westfalen unter Leitung von Thomas Rimes.

Das Bühnenbild, das jede Menge Theaterzauber verspricht, gestaltete Britta Tönne, die auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet.

Die Oper wird noch bis zum 12. Mai 2016 in insgesamt sieben Vorstellungen zu sehen sein.

Karten, Info: Theaterkasse, 0209 4097-200 oder musiktheater-im-revier.de

Eine Doppelrolle, eine anstrengende Aufgabe?

Frank: Durchaus. Zumal ich mich wegen der Doppelrolle auch immer ganz schnell umziehen muss. Es wird viel mit Perücken gearbeitet, die blitzschnell auf- und abgesetzt werden müssen. Ungewohnt ist es auch, dass das Publikum sehr dicht dran sitzt an der Bühne und damit direkt in die Dichterwerkstatt von E.T.A. Hoffmann blicken kann. Das Orchester sitzt in dieser Produktion nicht im Graben, sondern hinten auf der Bühne.

Gibt es Rollen, die Sie ablehnen und solche, von denen Sie träumen?

Frank: Wenn mir der Weihnachtswichtel angeboten wird, und das passiert tatsächlich, spiele ich den nicht. Träumen tue ich dagegen davon, einmal den Puck im „Sommernachtstraum“ spielen zu dürfen. Und dann würde ich sehr gerne, wie fast jeder Schauspieler, einmal im Leben Shakespeares „Richard III.“ geben. Das wäre wirklich die Krönung. Aber ich freue mich auch sehr auf die Rolle in der Rocky Horror-Show am Mir.

Musiker, Schauspieler, Sänger, Komponist, gibt es da Prioritäten?

Frank: Nein, das ist immer vom Projekt abhängig. Aber im Musiktheater, da habe ich schon meine Erfüllung gefunden: Zumal: Ich bin ja keine Konkurrenz für einen klassischen Opernsänger. Ich muss nicht ins Haifischbecken springen, um mitschwimmen zu können. In der Steampunk-Oper werde ich schauspielern, habe auch einige Sprechtexte. Singen werde ich hier nicht.

Im Münster-„Tatort“ nennt Pathologe Professor Boerne seine kleinwüchsige Assistentin gerne Alberich. Ärgert Sie das?

Frank: Nein, überhaupt nicht, da pfeife ich auf ‘Political Correctness’, man muss auch über Behinderte Witze machen dürfen. Und Kollegin Christine Urspruch, da bin ich mir ganz sicher, lacht sicherlich am lautesten über diesen Spitznamen.