Gelsenkirchen. . Am Stellwerk Bismarck in Gelsenkirchen üben Retter aller drei Wachen, was zu tun ist, wenn ein Kesselwagen undicht wird und Gefahr für Leib und Leben herrscht.
Eine Szene wie aus einem Science Fiction-Film: Drei Männer in grellen Anzügen nähern sich vorsichtig einem Kesselwagen. Schwer tragen sie an Ausrüstung. Und das gleich doppelt: Wannen, Werkzeugkisten und Keile schleppen sie mit sich. Helm, Stiefel und auf dem Rücken noch ein Atemschutzgerät. Darüber die orangefarbene Chemieschutzkleidung, die sie einem Michelin-Männchen nicht unähnlich macht. Der Feuerwehrtrupp wird schnell fündig: Aus Rissen tritt Flüssigkeit aus. Wannen fangen das Gefahrgut auf, nur Sekunden später treibt ein Gummihammer Holzkeil und Hanf in den Spalt. Auch Mutter Natur muss herhalten, um die Gefahr zu bannen – ein Zweig schließt das letzte, sehr feine Loch im Benzol-Transporter.
Es ist aber nur Wasser!
120 Retter trainieren an drei Tagen
Die Feuerwehr Gelsenkirchen übt mit allen drei Wachen seit Dienstag am Stellwerk Bismarck. „Zweimal am Tag proben wir in Gruppen den Ernstfall“, erklärt Sprecher Simon Heußen. Bis Donnerstag werden so 120 hauptberufliche Retter ihr Wissen aufgefrischt haben. „Sonderlagen im Zugverkehr sind zum Glück selten“, sagt Heußen. Unfälle mit Gefahrgütern auf Straßen dagegen nicht. „Meist passiert’s heute auf der Autobahn.“ Nichtsdestotrotz: Auch seltene Situationen müssen trainiert werden, gern wird daher das Angebot der Deutschen Bahn angenommen.
Denn im Notfall muss jeder Handgriff sitzen, das eigene und das Leben von Verletzten oberste Priorität haben – und jede weitere Gefahr für Mensch und Umwelt schnellstmöglich gebannt sein. Deshalb gibt es gleich nach der Übung eine „Manöverkritik“ von Uwe Lindenberg. Er ist der Ausbildungsleiter für den Gefahrenzug. Er erinnert die Feuerwehrmänner daran: „Niemals unter einem Waggon arbeiten oder hindurchgehen, es sei denn, ein Menschenleben ist in Gefahr. Den Wagen sichern, so dass er nicht rollen kann, und immer die Steig- und Überquerungshilfen nutzen.“ Das war es auch schon.
Unterricht vor dem Üben
Denn bevor es ans Üben geht, ist Unterricht angesagt. Der dreiteilige Zug besteht aus einem Unterrichtswagen, in dem die Kräfte die Schulbank drücken, einem begehbaren Schaukesselwagen und eben einem Kesselwagen, mit dem Leckagen simuliert werden. Im Schauwagen befinden sich 65 Armaturen und Sicherheitseinrichtungen, meist mit einsehbarem Innenleben, so dass die Retter sich ein Bild über die verschiedenen Bauformen und Funktionsweisen von Ventilen und Befüllungsanschlüssen machen können. So lernen sie, wie Flüssiggas, Säuren und Co. verfüllt werden.
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Eine wichtige Rolle kommt dabei dem Notfallmanager der Deutschen Bahn zu, in diesem Fall Dirk Sackers. „Wir arbeiten sehr eng mit der Feuerwehr zusammen“, erklärt der Bezirksleiter für Herne, Gelsenkirchen und Wanne-Eickel. Er und ein spezialisiertes DB-Team zur Gefahrenabwehr stehen den Rettern bei technischen Fragen mit Rat und Tat zur Seite – man kann schließlich nicht jede technische Einrichtung – ältere wie auch ganz neue – kennen.
Schweißgebadet ist Truppführer Sven Weinert noch, als er seine ersten Eindrücke schildert. „Der Aufwand, um das Leck abzudichten, hat sich in Grenzen gehalten“, sagt er schnaufend, „körperlich ist so ein Einsatz aber echt anstrengend. Der Luftvorrat in der Flasche schwindet unheimlich schnell.“ Per Handzeichen und über Funk hat er sich mit seinen beiden Kollegen abgesprochen, wie mit der Leckage umzugehen ist. Und die Idee mit dem dünnen Zweig? „Learning by doing“, sagt der 35-Jährige und lächelt verschmitzt. Im Einsatz zählt jede Sekunde. Da muss man eben auch mal improvisieren.