Gelsenkirchen. Die Ambulante Pflegedienste GmbH (APD) stellten ihr neues Wohnprojekt in Gelsenkirchen-Rotthausen vor. In der ehemaligen Hilgenboomschule ziehen im Januar 3 Wohngemeinschaften mit jeweils 8 Mietern ein

Herz und Seele will APD-Geschäftsführer Claudius Hasenau in eine außergewöhnliche Wohngemeinschaft einpflanzen. Die Menschen, die im Januar nächsten Jahres Wohnungen in der ehemaligen Hilgenboomschule in Rotthausen beziehen werden, sind demenziell erkrankt. Sie müssen besonders betreut werden. „In einer Demenz-WG“, sagt Hasenau, „muss sich bei der Gestaltung des Lebensraums die Umwelt dem Menschen anpassen.“ In einem Zelt auf dem ehemaligen Schulhof stellte die APD das Projekt gemeinsam mit dem Kooperationspartner „Rotthauser Netzwerk“ vor.

Der Charme des historischen Gebäudes aus dem Jahr 1893 sollte erhalten bleiben. So wurde das Haus entkernt und auf die Bedürfnisse der zukünftigen WG-Mitglieder zugeschnitten. In drei WG’s werden jeweils acht Personen einziehen. In jeder WG stehen 250 qm Wohnraum zur Verfügung, wobei die Zimmer der jeweiligen Bewohner einschließlich einer Nasszelle jeweils 20 qm groß sind. Die Zimmer sind um eine gemütliche Wohnküche, die als Herzstück der WG gilt, angeordnet.

Was auf den Tisch kommt, bestimmen die Bewohner, denen APD-Mitarbeiter unter die Arme greifen. Dass jeder Bewohner über eine eigene Klingel und Briefkasten zu erreichen ist, verdeutlicht die Eigenständigkeit.

Geschichte des Gebäudes soll nicht vergessen werden

Auch wenn sich jeder in seinen Privatbereich zurückziehen kann, wird die Gemeinsamkeit betont. Platz für einen Abend voller Fantasie bietet ein Kaminzimmer. Zeit für nachdenkliche Stunden können die Bewohner in einem Sinnesgarten nutzen. In der APD-Philosophie spielt die Einbeziehung der Nachbarschaft eine entscheidende Rolle. Claudius Hasenau: „Wir hoffen, dass es im Gemeinschaftsraum zu Begegnungen mit Bürgern aus der Nachbarschaft kommt.“

So setzt auch Martina Mail vom Generationennetz Gelsenkirchen auf Begegnungen und bürgerschaftliches Engagement. Nachbarschaftsfeste und weitere Aktionen böten ideale Möglichkeiten für den Austausch zwischen Jung und Alt. Quartiersentwicklung sei ohne Netzwerkarbeit nicht möglich. Die Diplom-Sozialpädagogin hält eine Teilhabe an Entscheidungsprozessen für unerlässlich. Als Ergänzung zum Bürgerverein sieht sich das Rotthauser Netzwerk. Klaus Koschei: „Wir wollen die WG begleiten, Akteure vernetzen und uns an einer gemeinsamen Stadtentwicklung beteiligen.“

Zur Vorstellung des Projekts passend stellte die Journalistin und Autorin Chantal Louis ihr Buch „Ommas Glück - das Leben meiner Großmutter in ihrer Demenz-WG“ vor. Mit sensibler Beobachtung beschreibt sie skurrile Momente gegenseitigen Misstrauens, Unverständnis, aber auch Zuneigung und soziale Bindung in der WG. Witzig geschildert sind die täglichen Auseinandersetzungen über Kochrituale in der Küche wie auch die Tricks, mit denen eine störrische Bewohnerin doch noch ihre Haare geschnitten bekommt. Das Buch, das wie ein Plädoyer für Verständnis, Nächstenliebe und Toleranz wirkt, gibt eindrucksvoll wieder, dass auch Demenzkranke ein Eigenleben in sozialer Gemeinschaft führen können und sollten.

Wenn die WG im Januar einzieht, soll die alte Schuluhr an neuer Fassade garantieren, dass die Geschichte des Gebäudes nicht vergessen wird.