Gelsenkirchen. Vom Waldquartier bis zu Bochumer Straße: Für Stadtbaurat Martin Harter bietet die Stadt „wahnsinnig spannende Herausforderungen“

Es gibt Jobs mit deutlich weniger Bandbreite: Verkehrsplanung, Hoch- und Tiefbau, Stadtplanung und Stadterneuerung, Bauaufsicht und Vermessung, Umwelt und Liegenschaften, aber auch Gelsenkanal gehören zu Martin Harters Verantwortungsbereich. Ein Riesenpaket mit einem Riesenetat und auch zahlreichen Mitarbeitern.

Rund 800 sind es, 220 Millionen Euro stehen im Etatansatz für 2014 unter der Rubrik Aufwendungen, im laufenden Jahr gar 223 Millionen. Am Etat für das nächste Jahr hat Harter in den letzten Tagen noch mit seinen Abteilungen gefeilt. Ein Stadtbaurat als Zahlenmensch? Auch. Aber nicht vordringlich. Der Diplom-Ingenieur hat Raumplanung an der Universität Dortmund studiert, war vier Jahre lang Leiter des Stadtplanungsamtes in Mülheim Ruhr, wechselte dann als Baudezernent nach Gladbeck. Im Dezember 2014 trat er die Nachfolge von Michael von der Mühlen an, der als Staatssekretär nach Düsseldorf gewechselt war. Von der Mühlen hat über Jahrzehnte die lokale Stadtentwicklung maßgeblich mitgeprägt. „Ich sehe, dass er vieles auf die Beine gestellt hat, das wir fortführen werden“, sagt Harter, „aber natürlich muss man auch manches noch einmal hinterfragen und schauen: Haben wir alles richtig gemacht“?

Vermarktung von 230 Baugrundstücken

Der zweifache Vater, gerade mal 44 Jahre alt, ist immer noch dabei „sukzessive alle Abteilungen“ seines Vorstandsbereichs und alle Mitarbeiter kennenzulernen. „Dann kommen noch die ganzen Ortsbesichtigungen hinzu, die Immobilien, jede Straße. Als Stadtplaner will man ja schnell seine Stadt kennenlernen.“ Durch ist er damit noch lange nicht. „Aber insgesamt“, sagt er, „fühle ich mich angekommen in Gelsenkirchen“ – dieser „Großstadt, die aus zwei Mittelzentren besteht“ und damit kleinteiliger aufgestellt ist als so mancher Nachbar.

Vom Start weg gilt es für den Stadtbaurat planerisch dicke Brocken abzuräumen, neben dem Alltagsgeschäft mit zig laufenden B-Plänen hier und Brandschutz dort, mit großen Maßnahmenbündeln für die Sanierung von Straßen, Schulen, Brücken. „Wenn man so viele Liegenschaften hat, ist das ein kontinuierlicher Prozess. Es gibt immer irgendwo was zu tun.“ Aber es gibt eben auch die besonderen Projekte darüber hinaus: Wie die Bebauung des Waldquartiers der Ex-Kinderklinik Westerholt. Für 280 Wohneinheiten auf 230 Grundstücken will Harter bis Mitte 2016 Baurecht schaffen. „Ich glaube absolut an eine gute Vermarktung ab Ende dieses Jahres“, sagt er. Nicht weniger spannend, aber noch in weiterer Ferne: Das interkommunale Entwicklungsgebiet „Neue Zeche Westerholt“. „Dort haben wir eine sehr große Fläche, die wir bespielen müssen. Ich bin froh, dass es den Masterplan gibt.“ Nicht minder eine Herausforderung: Die fällige Erneuerung der Hafenmundbrücke. „Das wird auch logistisch sehr interessant“, findet Harter. Nicht minder beschäftigt ihn „gerade als Planer“ der „Umbau im Bestand an der an der Bochumer Straße. Auch durch die besondere Finanzierungssituation wird das wahnsinnig spannend.“ Weitere Großbaustellen: der Schalker Verein und das Stadtquartier Graf Bismarck mit Gewerbe und Wohnen, die Erneuerung der Zentralen Busbahnhöfe.

Kontinuierlich, so Harter, kommen „neue Schwerpunkte hinzu, wie beim Umbau von Verkehrsanlagen in Richtung moderne Mobilität. Da müssen wir uns neu auftstellen. Beispielsweise bei der Umgestaltung der Ringstraße“ geht es für ihn um die Frage, „wie man urbanen Raum für Fußgänger und Radfahrer zurück gewinnen kann. Wenn wir mehr E-Bikes und Radverkehrsquote wünschen, müssen wir auch ein attraktives Angebot schaffen, damit es funktioniert.“

„Stadtplanung muss in Dekaden denken, wenn es an Großprojekte geht.“

Im Rathaus Buer, dem Technischen Rathaus, hat der Stadttbaurat sein Büro. „Ich finde es gut, dass ein Standort hier im Norden verortet ist und wir kurze Wege und eine Organisationseinheit haben, die für die gesamte Stadt zuständig ist“, sagt Martin Harter. Sein Dienstsitz ist ein weiter Raum mit Stuckdecke, mit massiver Holzverkleidung und Einbauschränken: Repräsentativ, aber eben auch repräsentativ für das Alter des Gebäudes. Die umfassende Sanierung steht auf der Agenda. „Mein Ziel ist, die Rathaussanierung nicht aus den Augen zu verlieren. Aber man muss auch auf die Rahmenbedingungen reagieren wie sie sind.“ Das bedeutet: Harter rechnet, dass „frühestens ab 2019 Mittel dafür in den Haushalt eingestellt werden können.“ Immerhin. In nächster Zeit soll das Mobiliar in den Sitzungssälen erneuert werden – nach Hans-Sachs-Haus Standard.

Seine Themen geht Harter mit Schwung an. Und Ausdauer. „Ich bin ein geduldiger Typ. Stadtplanung muss in Dekaden denken, wenn es an Großprojekte geht.“