Gelsenkirchen. Gelsenkirchen gehört zu bundesweit 51 Städten, die vom Bundesbildungs- und Forschungsministerium für die Entwicklung von Zukunftsideen ausgewählt wurde.
Leise Autos ohne Abgasemission, frisches Gemüse vom Hausdach, klimafreundliche Energiegewinnung aus Abwasser, neue Formen der Mobilität, enge Vernetzung: Eine lernende, facettenreiche Stadtgesellschaft entwickelt Zukunft.
Spinnerte Vision? Wohl kaum. Das wissen wir spätestens seit Orville, einer der Wright-Brüder, am 17. Dezember 1903 zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit mit einer Maschine geflogen ist. Heute geht es um eine ganzheitliche wie nachhaltige Zukunftsvision 2030+.
Kein gutes Timing
Städte und Gemeinden waren zur Teilnahme am Wettbewerb „Zukunftsstadt“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aufgerufen. Gelsenkirchen hat sich beteiligt. Natürlich Gelsenkirchen, ist man geneigt zu sagen. Und Gelsenkirchen gehört auch zu den insgesamt 51 Städten, die unter 168 Mitbewerbern ausgewählt wurden, kommunale Visionen zu entwickeln und sukzessive – nach weiteren Auswahlkriterien – umzusetzen. Die Mitteilung „Ihr seid dabei“ kam kurz vor dem NRW-Sommerferienstart: Phase 1 des Programms in drei Schritten startet am 1. Juli.
Kein gutes Timing für eine Stadt in der Sommerpause – aber man fängt ja schließlich nicht bei Null an. Bildung für nachhaltige Entwicklung im weitesten Sinne wird hier seit langem groß geschrieben; der hohe Stellenwert des Lernens außerhalb der Regelsysteme ist längst erkannt und trägt Namen wie Kreativwerkstatt, Umweltdiplom, Ziegenmichel, Internationaler Mädchengarten, Schalker Bildungsverbund oder etwa „gut gemischt mobil“, QuartiersNetz, Seniorennetzwerk, Zwischen Arbeit und Ruhestand (ZWAR) ...
Bildung im Sinne von handelndem Lernen
Die Liste der Beispiele, wie sich eine lernende Stadt zielorientiert entwickelt, ist bereits lang. Und sie soll auf der Ideenseite noch viel länger werden. Werner Rybarski, der das Projekt Zukunftsstadt koordiniert, sagt: „Partizipation als Mittel der Stadtentwicklung ist bekannt. Wir sagen, Partizipation ist ein Produkt des Lernens.“
Wobei sich das Lernen ausdrücklich auf alle Generationen bezieht. Was der komplette Titel des Wettbewerbbeitrags auch unterstreicht: „Lernende Stadt! – Bildung und Partizipation als Strategien sozialräumlicher Entwicklung.“ Dass man Teilhabe, das Mitmachen der Bürger Gelsenkirchens, als Schlüssel für eine zukunftsfähige Stadt versteht, unterstreicht auch Dr. Manfred Beck, Stadtdirektor und Bildungsdezernent. Denn wenn Menschen selbst an der Entwicklung mitwirken würden, biete dies den lebensnäheren Blick auf den Bereich Bildung und dies sei bereits eine Art der Bildung im Sinne von handelndem Lernen.
"Bildung für nachhaltige Entwicklung"
Aktuell werden die ersten Schritte auf dem Weg zur Gelsenkirchener Bildungsvision geplant; bis zum 31. März kommenden Jahres müssen sie entwickelt sein. Ganz oben auf der Agenda haben die Akteure die Schaffung eines großen Bildungsnetzwerkes, in dem neben der Verwaltung etwa Schulen, freie Träger, Vereine und alle am Zukunftsthema interessierten Menschen der Stadt ihren Platz haben sollen. Flankiert wird Phase 1 von Expertenworkshops und einer ersten Zukunftskonferenz. Um alle gesellschaftlichen Gruppen als mögliche (Netzwerk)Partner bei der Entwicklung von Visionen 2030+ ins Boot zu holen, werden aktuell Fragebögen erarbeitet.
Der ganze Prozess wird wissenschaftlich begleitet, zum Beispiel auch die Auswertung der Fragebögen. Den Part übernimmt ein Team der Freien Universität Berlin unter Leitung von Prof. Gerhard de Haan, Experte im Bereich „Bildung für nachhaltige Entwicklung“.
Für die Umsetzung fließt eine große Fördersumme
Die Wettbewerbsebene hat Gelsenkirchen – wie die anderen ausgewählten 50 Städte und Gemeinden – mit der Aufnahme in Phase 1 noch nicht verlassen. Der mit 35.000 Euro pro Stadt vom Bund geförderte erste Schritt ist die Entwicklung kommunaler Visionen 2030+.
Mit diesem Ergebnis bewerben sich die teilnehmenden Zukunftsstädte für die mit dann schon etwa 200.000 Euro geförderten Phase 2. 20 Kommunen werden dafür aus dem Teilnehmerkreis ausgelobt. Ihre Aufgabe ist dann das Planungs- und Umsetzungskonzept, also die Weiterentwicklung ihrer Visionen.
Zeitplan reicht bis 2018
Dann kommt die entscheidende Phase 3 und damit die Realisierung. Von eingangs 51 Kommunen werden acht damit betraut. Und dafür gibt es dann stattliche finanzielle Förderung: über eine Millionen Euro sind vorgesehen.
„Angesichts der großen Zukunftsaufgaben der Kommunen wie Klimaanpassung, Energieversorgung, demografische Entwicklung oder sicheres Wohnen und Arbeiten sind die Dialoge vor Ort sehr wichtig für eine erfolgreiche Stadtentwicklung“, sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka über den Auftakt der „Zukunftsstadt“ im Wissenschaftsjahr 2015. Und: „Die Prozesse in den Kommunen sollen als Anregung für andere Städte dienen.“ Der Zeitplan bis zur Realisierung reicht bis 2018. Deutscher Städtetag, Städte- und Gemeindebund sowie Deutscher Landkreistag sind Partner des Wettbewerbs, der neben Metropolen auch Kleinstädte wie etwa Oer-Erkenschwick (Kreis Recklinghausen) beteiligt.