Gelsenkirchen. DGB-Delegation besucht im Rahmen einer Rundreise durch die Verbundindustrie Eon und BP. Raffinerie und Kraftwerk produzieren im engen Abhängigkeitsverhältnis
110 Meter über dem Revier bekommt man ja durchaus den Überblick über das große Ganze: Eine DGB-Delegation steht mit Betriebsräten und Werksvertretern auf der Halde Oberscholven, schaut auf den BP-Standort in Scholven, auf die Flächen für die geplante Norderweiterung, etwas weiter auf die Chemie-Anlagen in Horst.
Unten rauscht und pfeift die Fackel im Werk, herrscht emsiges Treiben zwischen Olefin-Anlagen und Hydrockracker, Schwerölvergasung und Großtanks. 12,7 Millionen Jahrestonnen Kapazität haben die Anlagen in Scholven und Horst, 1700 Menschen arbeiten an beiden Standorten. Allein 4, 2 Millionen Tonnen Dieselkraftstoff pro Jahr werden produziert, aber auch Flugkraftstoff, Heizöl, Bitumen, zudem eine Großpalette petrochemischer Produkte.
Nach Westen geht der Blick von der Halde auf die Eon-Kraftwerksblöcke, auf das angegliederte Rigipswerk, auf zahllose Rohrleitungen. Die Industrieschwergewichte, das wird aus dieser Perspektive überdeutlich, liegen nicht nur Seite an Seite, sie sind auch miteinander verbunden – im engen Austausch von Energie, Dampf, Rohstoffen.
„Das Kraftwerk Scholven – mehr als ein Stromproduzent“ lautet entsprechend Donnerstag die Grundaussage an der ersten Besuchsstation. Mit 900 MW Nettoleistung inklusive Fernwärme ist das Kraftwerk noch am Netz. 1300 Megawatt wurden Ende 2014 stillgelegt, die Belegschaft im Kraftwerksbereich von 405 (2013) auf aktuell 240 Beschäftigte zurück gefahren, Ende des Jahres sollen es nur noch 200 sein. Die Wirkung der Energiewende in Bund und Land macht sich hier konkret in Arbeitsplätzen bemerkbar. Holger Grzella, der Eon-Betriebsratsvorsitzende, macht zu einem nahen Sorgenfall eine klare Ansage: Zu Datteln 4, einem der modernsten Steinkohlenkraftwerke, stehe Eon noch definitiv, „das wollen wir in Betrieb nehmen.“
Eine Botschaft von vielen, die Stefan Körzell vom DGB-Bundesvorstand (und unter anderem zuständig für die Bereiche Chemie, Energiepolitik, Wirtschaft und Finanzen) an diesem Tag aufnimmt. Er ist mit Vertretern der Betriebe und des DGB Region Emscher-Lippe samt Regionsgeschäftsführer Josef Hülsdünker auf einer „Rundreise durch die Verbundindustrie“.
Benzol-Luftreinhalteplan
Eon und BP in Gelsenkirchen, später der Chemiepark Marl werden an diesem Tag angefahren. Themen hüben wie drüben: aktuelle Entwicklungen, Zukunftschancen, auch Sorgenfelder wie die Benzolproblematik in Scholven und der umfängliche Luftreinhalteplan, mit dem BP seit 2013 offenbar erfolgereich versucht, die an einer Messstation registrierte Umweltbelastung mit gehörigem Aufwand in den Griff zu bekommen.
Es geht natürlich auch um die Basis für Lobbyarbeit seitens der Unternehmen, der Gewerkschaften, um die Positionierung gegenüber der Politik. Hier kommt für BP Ruprecht Brandis, Berliner Büroleiter der BP, ins Spiel. „Wir haben eine Reihe von Entwicklungen, die gut sind für das Klima, aber der Wirtschaft Kosten verursachen“ – das erwartet Brandis auch von einer neuen Richtlinie über Industrieemissionen für sogenannte Kalzinierungsanlagen im Raffineriebetrieb. Hier sieht die Mineralölwirtschaft die klare Tendenz im Bundesumweltministerium, künftig in nationalem Recht schärfere Grenzen zu setzen als es die EU verlange. Der endgültige Entwurf liegt noch nicht vor. Sollte es allerdings so kommen wie von Wirtschaftsvertretern befürchtet, rechnet Brandis vor, koste die Verschärfung allein BP bundesweit 250 statt kalkuliert 30 Mio Euro für die Anklagen-Umrüstung.
Bundes- und EU-Vorgaben
Für Körzell steht fest, dass Politik und DGB „auch immer sehen müssen was geht und was nicht geht, ohne dass Arbeitsplätze gefährdet sind. Man muss es in der Umsetzung so machen, dass es funktioniert und weitergeht.“ Lobbyisten werden bis 2016 in der Sache wohl noch einiges zu bereden haben.