Gelsenkirchen. . Alexander Barsukov kam vor 21 Jahren nach Gelsenkirchen. Heute kann er sich nicht mehr vorstellen, woanders zu leben. Er mag den groben Charakter der Stadt.

Alexander Barsukov kam vor 21 Jahren aus St. Petersburg (Russland) nach Gelsenkirchen.

Was ihn dazu brachte seine Heimat zu verlassen? „Mein Vater war jüdischer Kriegsveteran und ich habe einen Brief aus Deutschland bekommen. Aufgrund der deutschen Geschichte - wir wissen alle was gemeint ist - hätte ich die Möglichkeit nach Deutschland zu kommen, dort zu arbeiten, noch etwas dazu zu lernen“, erzählt der heute 59-Jährige. Da sein Privatleben in Russland gerade bröckelte - die Ehe mit seiner zweiten Frau lief alles andere als gut - überlegte er nicht lange und landete in Gelsenkirchen.

Wollte zunächst nur ein paar Monate bleiben

„Zunächst dachte ich, ich bleibe nur ein paar Monate und gehe dann wieder zurück. Das ist jetzt daraus geworden“, lacht Barsukov und schaut sich in seiner Ein-Zimmer-Wohnung um. Der studierte Steuerungsingenieur arbeitete in Russland sechs Jahre als Forschungsingenieur, brach seine Promotion ab und wurde Fahrlehrer. Es folgte die Arbeit als Kontaktdirektor bei einer Stiftung für Kultur und Soziales. Nebenbei schrieb der Tausendsassa Kurzgeschichten, am liebsten über seine Leidenschaft für Frauen, die Liebe und Liaisons.

Stillstand und Trott seien nichts für ihn. „Mir wird schnell langweilig.“ Als er nach Gelsenkirchen kam, ließ er zwei Exfrauen, zwei Kinder und wahrscheinlich viele gebrochene Herzen in Russland zurück.

Knapp 2200 Kilometer fern der Heimat veränderte sich wenig an seinem Lebensstil. Er lernte Deutsch, schneller als viele andere in seinem Kurs, wurde Sozialbetreuungshelfer, machte sich mit einer Infobroschüre für russische Migranten selbstständig, bildete sich weiter, arbeitete eine Zeit im Vertrieb, beschäftigte sich mit Literatur, bekam noch eine Tochter. „Ja es war immer viel los bei mir, zwischenzeitlich holte ich auch noch meinen Sohn aus Russland her, da meine erste Frau verstorben war. Mein Kopf ist immer voll.“

Frührente wegen Krankheit

Schließlich wurde er krank. „Am Herzen und in der Birne“, wie er sagt. Arbeiten konnte er nicht mehr, wurde mit 55 Jahren Frührentner. „Aber ich kann nicht nur Zuhause rumsitzen.“ Darum widmet er sich weiter, nur noch intensiver, seiner Leidenschaft, der Literatur. Seit 2000 ist er Vorsitzender des verlegenden Literaturvereins Edita Gelsen e.V., dessen Räumlichkeiten seit gut einem Jahr praktischerweise direkt in seinem Wohnhaus in der Bürgerstraße 5 liegen.

Hier können Texte gesetzt, gelayoutet, gedruckt und gebunden werden. Er selbst hat zuletzt den Bildatlas „Eck-Erker in Gelsenkirchen“ herausgegeben. „Zwischenzeitlich hatte ich auch noch eine kleine Dedektei“, lacht er schelmisch.

Gelsenkirchen ist Heimat

Sein charmanter Akzent lässt schnell erahnen, dass Alexander Barsukov aus Russland stammt, doch für den 59-Jährigen ist Gelsenkirchen mittlerweile seine Heimat. „In einem fremden Land muss man sich anpassen, aber das fällt mir hier nicht schwer.“

Es gab eine Zeit, da wollte er nach Berlin - der Liebe wegen. Aber seit gut einem Jahr, seitdem Edita Gelsen e.V. in die Bürgerstraße umgezogen ist, ist er sich sicher: „Ich werde für immer in Gelsenkirchen leben“. Mit Russland habe er nichts mehr zu tun, 1996 war er das letzte mal dort „und kenne das Land also nicht mehr.“

Gelsenkirchen sei nicht die schönste Stadt, aber er passe hier einfach gut hin. „Die Menschen sind grob und oft nicht freundlich. Aber ich bin auch grob und komme gut damit klar.“ Viel bräuchte er ohnehin nicht, um glücklich zu sein. In seiner kleinen Wohnung fühlt er sich sichtbar wohl. Hier könne er sich für andere Migranten engagieren und sich der Literatur widmen.