Gelsenkirchen. . Familie Kabuk sucht für einige Stunden am Tag eine Betreuung für die kranke Mutter (58). Aber in allen Einrichtungen wurde sie bisher „rausgeworfen“.
Stundenlanges Umherlaufen – auch in der Nacht, Beschimpfungen, Aggressionen, zunehmende Hilflosigkeit, das sind häufig Symptome bei Demenzerkrankten. Die Diagnose stellt Angehörige auf eine harte Belastungsprobe. Das erfährt tagtäglich auch Sabri Kabuk (65). Der Gelsenkirchener pflegt seit acht Jahren seine Frau Fatma (58) rund um die Uhr. Immer wieder hat er versucht, eine Tagesstätte zu finden. Vergeblich.
Seit der Entfernung eines Hirntumors vor acht Jahren schreitet die Demenz bei Fatma Kabuk voran. Die 58-Jährige hat Diabetes, muss regelmäßig Medikamente schlucken. Spricht man sie an, antwortet sie in perfektem Deutsch. Sie eine gepflegte Frau, der man auf den ersten Blick nicht ansieht, dass sie unter Demenz leidet. Früher führte sie ein Lebensmittelgeschäft.
Alle Tagesstätten „abgegrast“
Immer wieder hat Sabri Kabuk, der in der Türkei Grundschullehrer war, versucht, für drei Tage in der Woche einen Tagesstättenplatz zu bekommen. Doch die Betreuung war nur von kurzer Dauer. Immer wieder wurde er aufgefordert, die Ehefrau nicht mehr zu bringen – manchmal nach sechs Wochen, manchmal schon nach drei Tagen. „Ich glaube, es gibt keine Einrichtung in Gelsenkirchen, in der meine Mutter noch nicht war“, sagt Ayfel Calis (39). Immer wurde als Begründung genannt, dass die Frau in der Einrichtung „störe“.
Sabri Kabuk hat die Gutachten der Pflegeeinrichtungen (mit den in Gelsenkirchen bekannten Namen) säuberlich abgeheftet. „Sie ist nicht führbar“, heißt es in einem Bericht, „Sie ist zeitlich, örtlich, situativ und persönlich desorientiert“, in einem anderen. Sie könne nicht länger als fünf Minuten sitzen, laufe umtriebig umher, könne nicht allein zur Toilette, beteilige sich nicht an den Gesellschaftsspielen, liest man in einem anderen Gutachten. Ein Tagesstätte beklagte das ständige „Jallern“ der Frau. „Immer wieder klingt es durch, dass sie stört“, sagen die beiden Töchter Ayfel Calis und Medine Bahar (31) und fragen: „Aber treffen diese Symptome nicht für viele Demenzkranke zu?“
Die Töchter haben ihre eigenen Familien
Die fünf Töchter des Ehepaars sind berufstätig und haben ihre eigenen Familien. Manchmal springen sie ein, damit der Vater zum Freitagsgebet gehen kann. Aber sie sehen auch, dass er mit der Pflege zunehmend überfordert ist.
Ein Ort, wo Fatma Kabuk ausgeglichen und zufrieden ist, ist ihre alte Heimat. Regelmäßig fährt der Ehemann darum mit ihr in die Türkei. Allerdings immer nur für sechs Wochen; ist der Aufenthalt länger, zahlt die Kasse kein Pflegeld, da die Türkei kein EU-Land ist. Ein Problem, dass Serpil Kilic vom Demenz-Servicezentrum in der Paulstraße 4 kennt. „Wir weisen schon lange auf die Problematik hin, aber die Politik hat das noch nicht erkannt oder will es nicht erkennen.“