Gelsenkirchen. Wie man am besten mit dementen Patienten im Kraneknhaus umgeht, schilderten Ärzte des St. Josef-Hospitals Gelsenkirchen beim WAZ-Medizinforum.

Man stelle sich vor, man liegt im Krankenbett, wird zum OP gebracht. Man versteht nicht, was mit einem geschieht, sieht schwach, hört nicht richtig. Eine beklemmende Situation. Und eine die demente Patienten erleben können, sofern das Krankenhaus nicht besonders achtsam ist im Umgang mit diesen Menschen. Das erklärten die Ärzte des Horster St. Josef-Hospitals beim WAZ-Medizinforum am Mittwoch in der Glashalle von Schloss Horst.

Wie das St. Josef sich auf diese Kunden eingestellt hat, erklärte Dr. Rainer Wendland, Chefarzt des Instituts für Anästhesie. Die eingangs beschriebene Situation werde etwa dadurch vermieden, dass man diesen Patienten nicht, wie sonst üblich, Sehhilfen und Hörgeräte wegnimmt, um einen Verlust im OP-Bereich zu verhindern. „Das darf es nicht mehr geben“, erklärte er. Denn ein großes Problem bei der Behandlung dementer Patienten sei die Unsicherheit – seitens der Patienten und auch des Personals. „Wissen wir, was ein Dementer meint, wenn er Aua sagt?“, fragte Wendland provokativ und erklärte, dass in deutschen Krankenhäusern deswegen Betroffene oft mehr leiden müssen, da sie oft zu gering medikamentiert werden.

Präparate mit größter Sorgfalt auswählen

Grundsätzlich allerdings sei es bei älteren Patienten ratsam, vorsichtig zu medikamentieren und mit größter Sorgfalt die Präparate auszuwählen. Vielfach bestünden Wechselwirkungen, würden sich Medikamente gegenseitig aufheben. Das Schwierige daran sei, dass solche Informationen nicht auf dem Beipackzettel stünden und auch nicht alle Ärzte immer bestens informiert sein könnten. Ein Beispiel: „Ibuprofen kann die Wirkung von niedrig dosiertem ASS aufheben.“ Das bekommen viele ältere Patienten zur Vorbeugung eines Schlaganfalls. Auch einige Lebensmittel können solche Wechselwirkungen verursachen, führte Wendland aus. Grapefruitsaft etwa hemme die Aktivität eines körpereigenen, stoffwechselaktiven Botenstoffes, der Medikamente abzubauen hilft. „Viagra wirkt dann also doppelt so lange“, scherzte der Mediziner.

Problematisch bei einem dementen Patienten: Der ältere Körper ist nicht mehr so leistungsfähig und verstoffwechselt Medikamente anders. Demente Patienten halten sich, sofern sie nicht betreut werden, zudem nicht immer an die Anweisungen zur Einnahme. Gut die Hälfte der Betroffenen nehmen die Medizin gar nicht, ein Fünftel versorgt sich zusätzlich mit verschreibungsfreien Mitteln selbst.

Ärzte werden vor Herausforderungen gestellt

All dies stellt Ärzte vor Herausforderungen, insbesondere, wenn eine OP anstehe, erläuterte Dr. Hans-Peter Harasim, Chefarzt der Klinik für Allgemeinchirurgie. Das Narkosemanagement sei besonders schwierig, da der Tiefschlaf schon bei gesunden Menschen kurzzeitige Folgen in Sachen Orientierung und Gedächtnisleistung haben könne. „Deswegen müssen wir klären, ob die Operation dem Patienten auch wirklich nützt.“ Und ob die Ärzte sie überhaupt durchführen dürfen.

So könne es sein, dass Mediziner bei einem dementen Patienten, der nicht für sich allein entscheiden kann, aber auch keinen Betreuer hat, das Amtsgericht einschalten müssen, um eine Entscheidung herbeizuführen. Auf Notfall-Operationen treffe dies nicht zu. „Alterchirurgie ist eine massive Herausforderung für den Chirurgen und das Krankenhaus.“ Eines betonte Harasim sehr deutlich: Dies sei kein Grund, auf eine Operation zu verzichten, die das Leben leichter mache.

Jedes Jahr 40.000 Demenzkranke mehr

Der menschliche Ansatz in der medizinischen Betreuung sei das Wichtigste, erklärte Dr. Peter Gunther Auer, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin. „Diese Patienten unterscheiden sich durch ihre Verletzlichkeit und ihre Angst von anderen. Sie suchen nach der sicheren Basis.“

Sie seien konfrontiert mit dem gefühlten Verlust von Heimat und der eigenen Tagesstruktur. „Drei Ängste dominieren: die verloren zu gehen, die zu verhungern und sexuelle Angst.“ Dies sei besonders der Fall, weil viele heute Betroffene Kriegserfahrungen sammeln mussten und traumatisiert seien.

Die Erkrankung mache auch die Kommunikation mit dem Patienten schwieriger, erläuterte Dr. Andreas Reingräber, Chefarzt der Klinik für Geriatrie. Zudem nehme beim dementen Patienten nicht nur die Gedächtnisleistung ab, auch die Orientierung im Raum sei beeinträchtigt sowie das Verständnisvermögen. Eine Situation, auf die sich Mediziner zunehmend einstellen müssen.

„Wir haben jedes Jahr 40.000 Demenzkranke mehr in Deutschland“, so Reingräber, der nicht sicher war, ob die Zahl weiter so steigen werde. „Die Kriegsgeneration hat sich schlecht ernährt. Heute leben die Menschen gesünder.“ Und ein gesunder, aktiver Lebenswandel sei auch bei der Demenz die beste Vorsorge.