Gelsenkirchen. Er ist 52 Jahre alt, aber wegen seiner geistigen Behinderung ist er ein kleines Kind geblieben und wird es immer bleiben.
Er ist 52 Jahre alt, aber wegen seiner geistigen Behinderung ist er ein kleines Kind geblieben und wird es immer bleiben. Seit 33 Jahren lebt er in einer Einrichtung in Gelsenkirchen. Seit etwa zwei Jahren gibt es Probleme. Er macht Schwierigkeiten. In drei Fällen wurde er handgreiflich gegenüber Pflegern und einem Mitbewohner, er schlug und trat und mit einer Gabel zerkratzte er drei Autos. Strafanzeigen wurden gestellt.
Am Mittwoch saß er auf der Anklagebank der XV. Strafkammer des Essener Landgerichts. Die Kammer sollte darüber befinden, ob der wegen seiner Behinderung nicht schuldfähige 52-Jährige in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden muss.
Einrichtung wechseln
Das Gericht entschied dagegen. Der Gelsenkirchener wird nicht für den Rest seines Leben weggesperrt. Aber: „Es ist dringendst erforderlich“, so Richter Martin Hahnemann, dass er in eine neue Einrichtung komme, in der er intensiv betreut werde. Darauf ist das derzeitige Heim nicht ausgerichtet und dazu auch nicht in der Lage: „Sieben Mitarbeiter arbeiten für eine Gruppe von 16 Bewohnern“, so schildert eine Pflegerin (47) die Situation.
In der Realität sehe die Besetzung allerdings anders aus, berichtet sie weiter. „Meist sind in mehreren Schichten nur zwei oder drei anwesend. Nichtige Anlässe sind es, die den 52-Jährigen auf die Palme bringen. Zum Beispiel, dass er morgens seiner Meinung nach zu früh geweckt wird, dass er nachts Musik hören möchte und damit seinen Zimmergenossen stört. In solchen Situationen schlägt er, tritt, droht mit einer Gabel.“
Wie ein Kind an die Hand nehmen
Nach Angeboten zum Stressabbau etwa durch Sport oder Reden, wie man es bei einem Kleinkind machen würde, fragt Richter Martin Hahnemann. Es gebe Reha-Sport und Spiele, und er könne jederzeit kommen und reden, nutze aber die Angebote nicht, erzählt die Zeugin: „Er hat eine Unterkunft, wird versorgt und behandelt wie alle anderen.“
Das reicht nicht mehr: „Er ist in der gegenwärtigen Einrichtung überfordert“, ist Gutachter Nikolaus von Rhein überzeugt. Man müsse ihn wie ein Kind an die Hand nehmen und sagen: „Komm.“ Er sei kein Fall für eine Unterbringung: Man könne den 52-Jährigen nicht einfach wegsperren, weil es Schwierigkeiten in einer Institution gebe, so der Sachverständige.