Gelsenkirchen. „China 8“ wurde vor vielen Gästen im Kunstmuseum eröffnet.

Mit der Eröffnung des Mega-Ausstellungsprojektes „China 8“ in acht Städten und neun Museen der Region war die Arbeit der rund 120 Künstler aus dem Reich der Mitte erledigt. Eigentlich! Nicht so in Gelsenkirchen. Was für ein Glücksfall für die Besucher: Denn hier machten sich zwei Kunstschaffende zum Start der Schau am Donnerstag erst so richtig ans Werk, und das vor Publikum.

Der Raum in der Alten Villa ist prall gefüllt, die Besucherzahl begrenzt, ein paar ergattern noch die allerletzten Eintrittskarten. Wang Dongling, einer der bekanntesten klassischen Kalligrafen der Volksrepublik China, wird hier inmitten der Schau eine Live-Performance zelebrieren. Dafür konzipierten die Ausstellungsmacher eigens zwei riesige Plexiglasscheiben, hinter denen sich jeweils die Zuschauer versammeln. Noch können sie durchschauen. Der 70-jährige Maler greift zum schwarzen Farbtopf, tunkt den breiten Pinsel hinein und malt dann mit eleganten Gesten und ganzem Körpereinsatz konzentriert die fremden Schriftzeichen auf die Wand. Bis auf das Klicken von Fotoapparaten herrscht nahezu meditative Stille im Raum.

Auf die gegenüberliegende Scheibe setzt der Kalligraf ebenfalls Schriftzeichen, diesmal in weißer Farbe. Im anschließenden Gespräch mit Kuratorin Dan Xu erzählt der Künstler, dass er zwei rund 2500 Jahre alte Texte chinesischer Philosophen aufgeschrieben habe in der sogenannten Grasschrift. Aber in seiner ganz eigenen, chaotischen Art, expressiv, wild, mit gebrochenen Buchstaben und übermalten Zeichen. Dan Xu übersetzt: „Dieser prozesshafte Charakter seiner experimentellen Malerei ist ihm wichtig.“ Der Katalog informiert über sein früh auch westlichen Einflüssen aufgeschlossenes Arbeiten: „Dies war keine Selbstverständlichkeit und stellte angesichts der konservativen Kulturbehörden ein Risiko dar.“

Stadtleben aus chinesischer Sicht

Das Kunstmuseum zieren jetzt zwei ganz aktuelle Werke Wang Donglings, und Museumschefin Leane Schäfer freute sich mit allen Zuschauern über die Performance: „Das war eine große Ehre für uns.“

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Während mit dem 70-jährigen Dongling einer der ältesten und etabliertesten Künstler zu Gast ist, der regelmäßig in den großen Metropolen der Welt ausstellt, reiste der mit 26 Jahren jüngste Teilnehmer Frank Tang erstmals nach Deutschland und wohnt noch bis zum morgigen Sonntag in Gelsenkirchen. Frank Tang kam mit leeren Händen und dem Ziel, sich vor Ort inspirieren zu lassen. Inzwischen hängen die ersten Werke.

Frank Tang kommt aus Hongkong, einer Stadt, die niemals schläft. Hier fiel ihm auf: „Wenn man spät abends noch draußen ist, wirkt die Stadt menschenleer.“ Leben entdeckte der Künstler in den von Laternen beleuchteten Bäumen. Die malt er nun auf dünnem Pergament, das sich bewegt wie Laub, wenn der Betrachter dran vorbei läuft. Gelsenkirchen aus chinesischer Sicht, eine neue, spannende Perspektive.