Gelsenkirchen. Die St. Augustinus Heime GmbH stellte am Mittwoch die Heimleitung von St. Josef frei. Anja Gersch soll ohne Wissen der Trägerin mit der Neustart kft zusammengearbeitet haben.
Der Skandal um die Aktivitäten der freigestellten Gelsenkirchener Jugendamtsleiter Alfons Wissmann und Thomas Frings in Ungarn zieht seine Kreise. Vor allem die Rolle der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung St. Josef als Partner der Neustart kft findet darin mittlerweile einen zentralen Platz. In der Sondersitzung des Hauptausschusses am Montag zeigten sich die Vertreter der Trägerin, der St. Augustinus GmbH, noch zugeknöpft. Womöglich aus gutem Grund, wie sich am Dienstag herausstellte.
WAZ und Radio Emscher Lippe liegt ein Flyer vor aus dem eindeutig hervorgeht: Das St. Josef Heim hat geholfen, Kinder nach Ungarn und ins Heim der Neustart kft zu vermitteln. Bisher wurde bestritten, dass eine Verabredung existiert habe. In diesem Flyer wird St. Josef als Kooperationspartner von „Neustart“ in Deutschland bezeichnet – mit einer konkreten Ansprechpartnerin, der Heimleiterin Anja Gersch, und der passenden Gelsenkirchener Telefonnummer.
Lückenlose Aufklärung
Die neue Faktenlage veranlasste den Heimträger zu einer neuen Stellungnahme. Darin heißt es: „Die St. Augustinus Heime GmbH musste feststellen, dass es zwischen der Leiterin der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung St. Josef, Anja Gresch, und der Firma Neustart Verbindungen gegeben hat. ... Die Erstellung des Flyers und jegliche Verbindung mit der Neustart kft sind ohne Wissen der Organe der St. Augustinus Heime GmbH erfolgt.“
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Um eine lückenlose Aufklärung – unter Achtung der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Mitarbeiterin – zu gewährleisten, sei Gresch am Mittwoch vorerst von ihren Verpflichtungen als Leiterin der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung St. Josef entbunden worden, heißt es weiter. Zudem wolle St. Augustinus den Landschaftsverband Westfalen-Lippe als für die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung St. Josef zuständige Aufsichtsbehörde um Unterstützung bei der Aufarbeitung der Zusammenhänge bitten. Das hatte Landesrat Hans Meyer in der Sondersitzung des Hauptausschusses ohnehin schon angekündigt.
Fünf Jugendliche aus Gladbeck und einer aus Herne
Belegt ist nach Recherchen von WAZ und Radio Emscher Lippe mittlerweile auch, dass fünf Jugendliche aus Gladbeck und einer aus Herne in Pecs untergebracht waren. Die Stadt Gladbeck teilte mit, dass sie Tagessätze – je nach Intensivbetreuung – von 130 bis 310 Euro an Neustart bezahlt habe, in Summe zwischen 350.000 und 400.000 Euro. Über das Gelsenkirchener Kinderheim St. Josef habe man im Zeitraum 2005 bis 2008 fünf betreute Jugendliche bei „Neustart“ untergebracht, die sich einige Monate bis zu mehr als zwei Jahren in Ungarn aufhielten. Neustart sei dem Jugendamt als Träger der von St. Josef durchgeführten Auslandsmaßnahmen nicht bekannt gewesen. Christiane Schmidt vom Gladbecker Presseamt: „Ebenso wenig war bekannt, dass Leitende Angestellte des Jugendamtes Gelsenkirchen Neustart gegründet haben sollen.“ Werbung zur Unterbringung sei aus dieser Richtung nicht erfolgt.
Seit Dienstag liegt die Strafanzeige der Bündnisgrünen der Staatsanwaltschaft Essen vor. „Wir gehen nun in die Prüfung, ob strafrechtlich relevante Sachverhalte vorliegen“, sagte Staatsanwalt Rainer Kock. Es läge nur diese Anzeige gegen Unbekannt vor. Die mediale Berichterstattung werde ausgewertet.