Gelsenkirchen. Welche Rolle spielt die St. Augustinus GmbH in der Affäre um die Nebentätigkeiten der Gelsenkirchener Jugendamtsleitung? In der Sondersitzung gaben sich die Vertreter wortkarg.

Die Aufarbeitung des Monitor-Berichtes „Mit Kindern Kasse machen?“ verdrängt derzeit viele andere städtische Nachrichten. Dabei kann die Sondersitzung des Hauptausschusses am Montag nur der Anfang der Arbeit gewesen sein. Wie der Aufklärungsfahrplan für die Zukunft aussieht, darüber wird der Rat in seiner Sitzung am 21. Mai entscheiden. Da wird er über den Antrag der Grünen beraten, ein politisches Untersuchungsgremium einzurichten, das für lückenlose und öffentliche Aufklärung sorgen soll.

Hinter verschlossenen Türen kann der Ausschuss tatsächlich nur dann tagen, wenn es sich um stark personenbezogene Daten der freigestellten Jugendamtsleiter Alfons Wissmann und Thomas Frings handelt.

Ausschuss-Mitglieder stellten sich Fragen

Fragen über Fragen stellten die Ausschuss-Mitglieder am Montag, nachdem durch erste Berichterstattungen aus der Verwaltung deutlich wurde, dass es weder städtische Zahlungen irgendeiner Art an die von Wissmann und Frings gegründete Neustart kft in Ungarn gegeben hat noch Kinder aus Gelsenkirchen jemals in dieser Heim-Einrichtung in Pecs untergebracht waren.

Zu den Fragen gehörten u.a.: Woher kamen die Kinder, die bei Neustart untergebracht waren? Wer hat das Marketing gemacht? Hat die Jugendamtsleitung ihr Netzwerk genutzt, um Kinder aus Nachbarstädten (etwa Gladbeck und Bottrop) in die Neustart-Einrichtung zu bekommen? Wohin sind die Gelder geflossen?

Eine bereits bekannte Erklärung verlesen

Weitere zwei Komplexe rückten zudem ins Zentrum. Zum einen die Chronik der Wissmann-Nebentätigkeit vom Antrag bis zur Rücknahme und zum anderen die Rolle des St. Josef Heimes.

Das Heim war am Montag zwar durch den Träger, die St. Augustinus GmbH, im Ratssaal vertreten, der allerdings trug nichts zur Aufklärung bei. Vor allem der im Monitor-Beitrag angeführte Vorwurf der gezielten Überbelegung von St. Josef blieb unbeantwortet und muss aufgearbeitet werden. An dieser Stelle vom Pressesprecher eine bekannte Erklärung verlesen zu lassen, aber für Nachfragen nicht zur Verfügung zu stehen, sorgte für Unmut in Reihen der Politik.

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Wenigstens Landesrat Hans Meyer vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe sorgte an dieser Stelle für ein schwaches Licht im Dunkel. Er berichtete, dass dem Landesjugendamt für den von Monitor angeführten Zeitraum keine Überbelegungen bekannt seien. „Die sind anzeigepflichtig“, sagte er. Allerdings sei im Jahr 2013 durch den Hinweis eines Dritten eine Überbelegung von 13 Kindern aufgedeckt worden, die St. Josef nicht gemeldet hatte. Dies wird derzeit ebenso geprüft wie die tatsächlichen Belegungen aus den Vorjahren.

Derzeit gilt: Die Überbelegungen zu Neustart-Zeiten, von denen bei Monitor die Rede war, sind noch unbestätigt. Dafür hält Radio Emscher Lippe offenbar einen neuen Hinweis in Händen. Der Sender berichtete am Dienstag darüber, einen Flyer der Neustart kft in Händen zu halten, in dem St. Josef als Kooperationspartner angegegeben wird...

Monitor will die Recherche-Belege vorlegen

Nicht nur deshalb wartet die Stadt Gelsenkirchen nach mehrfacher Aufforderung an die WDR-Redaktion Monitor auf Recherche-Belege. „Die sind dringend zur Aufklärung notwendig“, betonte Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) in der Sitzung. Nach WAZ-Informationen soll „Monitor“ mittlerweile reagiert und für Mittwoch die Vorlage der Belege im Hans-Sachs-Haus zugesagt haben.

Chronologie einer Nebentätigkeit 

Spannend war am Montag in der Sondersitzung des Hauptausschusses die Chronologie des Genehmigungsverfahren für die Nebentätigkeit von Alfons Wissmann. Auch vor dem Hintergrund der WAZ-Information, dass Stadtdirektor Dr. Manfred Beck (Grüne) damals nicht vollständig über die Inhalte informiert gewesen sein soll. Die seien erst ans Licht gekommen, als Thomas Frings seinen Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit ausführlicher formulierte.

Laut Stadt Gelsenkirchen ging am 30. November 2004 Wissmanns Antrag vom 24. November 2004 auf Genehmigung einer Nebentätigkeit ein, die ab Januar 2005 beginnen sollte. Der Antrag beinhaltete die Stellungnahme des zuständigen Vorstandes Beck vom 26. November 2004, dass keinerlei Bedenken gegen die Nebentätigkeit bestehen würden. Am 15. Dezember 2004 wurde die Genehmigung erteilt.

Keinerlei Bedenken von Wissmann

Am 17. Februar 2005 ging der Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit von Thomas Frings ab Februar 2005 mit Datum vom 8. Februar 2005 bei der Stadt ein. Der beinhaltete laut Verwaltung eine Stellungnahme des zuständigen Amtsleiters Wissmann vom 15. Februar 2005, dass keinerlei Bedenken bestünden.

Elf Tage später, am 28. Februar warf der damalige Personaldezernent Jochen Hampe (SPD) in Richtung Beck die Frage auf, ob vor dem Hintergrund der Antragstellung Frings bei der Genehmigung für Wissmann nicht doch eine Interessenkollision bestünde. Außerdem wurde die Stellungnahme von Wissmann zum Nebentätigkeitsantrag Frings nicht anerkannt, da Befangenheit angenommen wurde. Die Verwaltung kündigte an, auf der Grundlage einer Stellungnahme von Beck zu entscheiden, ob die erteilte Genehmigung für Wissmann widerrufen werden müsse.

Am 7. März 2005 teilte Beck mit, mit Wissmann gesprochen zu haben. Der habe versichert, dass keine in der Neustart-Liegenschaft in Pecs stattgefundene Maßnahme von der Stadt Gelsenkirchen durchgeführt worden sei. Es folgte die Ankündigung, dass die Nebentätigkeit von Wissmann beendet würde. Beck erklärte, er würde im Fall Frings von einer Rücknahme des Nebentätigkeitsantrages ausgehen.

Ebenfalls am 7. März erläuterte Alfons Wissmann den Zweck der GmbH in Pecs, um falsche Eindrücke zu vermeiden. Neben der ausdrücklichen Erklärung, dass keinerlei Zusammenhang mit Angeboten, Diensten und Leistungen der Stadt Gelsenkirchen bestünden, beschrieb er die Gesellschaftsgründung nach ungarischem Recht mit dem Zweck, intensivpädagogische Maßnahmen für extrem verhaltensauffällige Jugendliche durchzuführen. Wissmann bat um Empfehlung, ob beide als Gesellschafter aussteigen sollten. Die Nebentätigkeitsgenehmigung wurde mit der Versicherung zurückgegeben, die Tätigkeit als Geschäftsführer abzuwickeln.

Rückzug des Antrages

Am 7. März teilte Thomas Frings mit, seinen Antrag zurückzuziehen. Am 17. März legte die Personalverwaltung fest, dass die Auffassung von Wissmann nicht geteilt würde, da er sein dienstliches Fachwissen für Fördermöglichkeiten der Projekte der Neustart GmbH und seine dienstlichen Kontakte in Zusammenhang mit der Rekrutierung der untergebrachten Personen nutzen könnte. Die betrieblichen Ziele seien auf die Interessenlage des Referates ausgerichtet, eine Interessenkollision, möglicherweise sogar eine Vorteilsnahme, nicht auszuschließen. Dies gelte für die Geschäftsführer- und die Gesellschaftertätigkeit.

Mit gleichem Datum wird Wissmann empfohlen, beide Tätigkeiten niederzulegen und die Beendigung der Geschäftsführertätigkeit anzuzeigen. Am 4. April teilte Wissmann mit, zum 1. April 2005 die Nebentätigkeit als Geschäftsführer eingestellt und die Gesellschafteranteile abgetreten zu haben.

Wissmann trat sie an seine Frau ab, Frings an seinen Bruder.