Gelsenkirchen. Der Schauspieler und Lebenskünstler Kemal Demir (57) wurde in Ankara geboren und lebt seit 1987 in Deutschland. Sein Motto: Wir statt Ich.

Kemal Demir muss immer noch grinsen, wenn er an seinen Vater denkt. Der damals, in Ankara, immer gesagt hat: „Kemal, werd’ was Vernünftiges.“ Wie seine Geschwister, die alle etwas Ordentliches gelernt haben. Kemal ist der bunte Hund der fünf Demir-Geschwister – Schauspieler, Theaterpädagoge, Lebenskünstler, ein Mann mit ungebremster Empathie. Einer, der die Menschen mag, ganz egal wo sie her kommen und gleich, ob sie mit einer Behinderung leben oder nicht. Seine vielseitigen Talente spiegeln sich in allem wider, was der heute 57-Jährige anpackt. Und das war bisher schon eine ganze Menge. Sein Lebensmotto wirkte da immer sehr förderlich. Die Weltmacht mit drei Buchstaben heißt „wir“ – nicht „ich“.

Demir hat Schauspiel am Konservatorium in Ankara studiert und damit den Grundstein für seine Karriere gelegt. Eine Karriere, die ihn ins politische Theater führte – und, ums kurz zu machen, aus just diesem Grund 1987 nach Deutschland. Warum hierher? Der Mann lacht und sagt: „Einfach so.“ Ganz schnell bekam er politisches Asyl und ratzfatz hatte er einen deutschen Pass in der Tasche.

Die Kunst führte ihn nach Gelsenkirchen

Warum es ihn in diese Stadt verschlug, das hatte dann allerdings einen ganz konkreten Grund. Er wohnte noch in Essen, als er den Gelsenkirchener Schauspieler Markus Kiefer kennen lernte. „Mit ihm habe ich 1992 das Schauspielhaus in der Kaue gegründet und drei Jahre geleitet.“ Damals, „als es hier noch viel mehr Schauspieler gab“.

Sprache ist sein Element. Weil Sprache verbindet, weil sie lebt. Selbst, wenn man die des anderen nicht kennt. Klingt komisch, aber Demir meint das so. „Wenn ich mit jemandem kommunizieren will, dann tue ich das.“ Schließlich gibt es ja auch die Körpersprache. Er erinnert sich schmunzelnd an den Besuch von Markus Kiefer bei seinen Eltern in der Türkei. „Da hörte ich doch, wie meine Mutter und er miteinander reden und lachen. Markus kann kein Türkisch, meine Mutter weder Deutsch noch Englisch.“ Dennoch hätten sich die Zwei prächtig verstanden.

Die Welt entdecken

Außer dem „Wir“-Gefühl hat der 57-Jährige eine weitere Lebensphilosophie: „Ich lerne gerne.“ Seine Urlaube sind daher keine mit Strandkorb und Brutzeln in der Sonne. Demir hängt sich den Rucksack mit der Fotoausrüstung auf den Rücken und geht auf Entdeckungsreise durch Städte. „Hamburg oder Berlin morgens um Fünf.“ Das fasziniert ihn. Er fühlt sich wohl in Gelsenkirchen, sagt der Künstler. „Ich habe mein Leben hier selbst aufgebaut, deshalb ist hier mein Zuhause.“ Der erklärte Schalke-Fan lacht. Und macht seiner selbst gewählten Heimatstadt eine Liebeserklärung: „Ich würde Gelsenkirchen nicht gegen Hamburg tauschen.“ Seine Metropole ist das Ruhrgebiet, sein Kietz Gelsenkirchen, wo er die Verkäuferin im Supermarkt kennt.

Kemal Demir arbeitet seit 20 Jahren als Regisseur und Schauspieler im Internationalen Jugend- und Kulturzentrum Kiebitz e.V. in Duisburg-Marxloh. Professionelle Künstler nehmen hier in Workshops und Projekten Kinder und junge Erwachsene mit auf die Reise in die Welt des Theaters, der Musik, der bildenden Kunst, der Literatur und des Tanzes. Seit 2007, unterstützt von der Aktion Mensch, sind auch Menschen mit Behinderungen dabei. Das jüngste Projekt sind die „Märchen-Collagen – Reise in den Orient“. Am 18. April (19 Uhr) spielt die Kiebitz-Truppe unter der Regie von Kemal Demir im Awo-Begegnungszentrum an der Grenzstraße.

Der Herzblut-Gelsenkirchener mit Wohnsitz in Erle lässt sich indes nicht auf eine Arbeit reduzieren. Nationales und internationales Theater pflastern förmlich seinen Karriereweg. Außerdem hat er in Buer die Schauspielakademie „Art-Kultur-Works“ mitbegründet und ist dort als Dozent im Einsatz.