Gelsenkirchen. . Eine 92-Jährige aus Gelsenkirchen wurde am Samstag für tot gehalten und wachte dann beim Bestatter auf. Am Montagnachmittag starb sie tatsächlich.
Ein Arzt erklärte die alte Dame aus einem Gelsenkirchener Seniorenheim am Samstag für tot, obwohl sie noch lebte. Sie lag schon im Kühlraum des Bestatters, im Leichensack, als sie sich bemerkbar machen konnte, sie schrie um ihr Leben. Eine Szene wie aus einem Horrorfilm. Doch am späten Montagnachmittag ist die 92-Jährige schließlich doch gestorben, im evangelischen Krankenhaus Gelsenkirchen. Das gab die Polizei am Dienstag bekannt. In Frieden ruhen kann sie allerdings noch nicht. Denn ihr Leichnam wird nun obduziert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt mit zwei Fragestellungen.
Notarzt hatte die lebende Frau für tot erklärt
Hat der Notarzt, der die Frau fälschlich für tot erklärte, seine Pflichten verletzt – oder war ihr Zustand tatsächlich nicht für ihn erkennbar? Immerhin hatte auch die Pflegerin, die die Dame in ihrem Bett fand, geglaubt, sie sei tot. Mit einem Spiegel hatte sie gar geprüft, ob die Frau noch atmet. Und der Bestatter schloss ihr die Augen.
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Und ist die Dame nun an den Folgen dieses furchtbaren Fehlers gestorben? Immerhin lag offensichtlich ein Notfall vor und sie wurde nicht behandelt, bis ihr Bestatter viereinhalb Stunden nach Ausstellung des Totenscheins – 16.30 Uhr im Awo-Altenheim in Gelsenkirchen-Hassel – einen anderen Arzt rief. Da lag die arme Frau schon länger im Kühlhaus und ihr Puls bei 100 – akutes Herzrasen. Andererseits war die 92-Jährige schwer pflegebedürftig, man hatte mit ihrem baldigen Tod gerechnet.
Die Kripo ermittelt in dem Fall
Vermutlich werden nur Sachverständige diese Fragen klären können. Die Kripo ermittelt im Auftrag der Staatsanwaltschaft weiter.
Bestatter Stefan Menge sitzt der Schreck noch in den Knochen, aber er will die Arbeit des Notarztes nicht beurteilen. Er glaubt aber, dass die Ausbildung verbessert werden müsse. Gerade einmal zwei Wochen stünden in einem Fachseminar für die Leichenschau zur Verfügung.
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Sie lernen im Wesentlichen, was Dr. Olaf Hagen, Chefarzt der Geriatrie an der Augusta-Kranken-Anstalt in Bochum, erklärt: „Durch Abhören oder Pulsfühlen wird geprüft, ob das Herz noch schlägt.“ Auch muss die Atmung kontrolliert werden. Zudem prüft der Arzt Reflexe. Zum Beispiel leuchtet er ins Auge, die Pupille reagiert normalerweise auf Licht mit Verkleinerung, im Todesfall ist sie lichtstarr. Doch diese Zeichen fielen nicht unter die „sicheren Todeszeichen“. Gerade bei unterkühlten Patienten oder unter Medikamenteneinfluss könne es vorkommen, „dass Puls und Blutdruck kaum vorhanden sind“. „Vita minima“ nennen das die Fachleute.
Wenn möglich, so Hagen, sollte ein EKG angeschlossen werden. „Erst eine Null-Linie über zehn Minuten ist eine belastbare Aussage.“ Als sichere Zeichen gelten auch „erstens die Leichenstarre und zweitens die Leichenflecken.“
Totenflecken hätten theoretisch sichtbar sein müssen
Das Problem: „Die Leichenstarre tritt oft erst nach zwei Stunden ein.“ Die Totenflecken dagegen schon nach 15 bis 20 Minuten – allerdings dort, wo der Körper aufliegt. Zwischen dem vermeintlichen Todeszeitpunkt und der Ausstellung des Totenscheins lagen 90 Minuten.
Allerdings bleibe zur Prüfung dieser „sicheren Todeszeichen“ nicht immer die Zeit, sagt Hagen. „Der Notarzt hat ja meistens sofort einen weiteren Einsatz.“