Gelsenkirchen. . Der Vater, der sein Baby misshandelte, muss ins Gefängnis. Das Gericht ging davon aus, dass auch die Mutter geschlagen haben könnte.

Der Vater, der seinen vier Monate alten Sohn am 11. April 2014 geschlagen und heftig geschüttelt haben soll, muss laut Urteil des Landgerichts Essen ins Gefängnis. Die V. Kammer verhängte gegen ihn drei Jahre und drei Monate Haft wegen Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage hatten lediglich zwei Jahre und zehn Monate Gefängnis gefordert.

Das Essener Gericht stellte in seinem Urteil nicht einmal fest, dass an jenem verhängnisvollen Abend in der Erler Wohnung tatsächlich der Vater seinen Sohn schlug. Die Kammer ging davon aus, dass Vater und Mutter drei bis fünf Minuten allein im Kinderzimmer waren. Deshalb könne auch die Mutter für die heftigen Verletzungen, die das Kind in Lebensgefahr gebracht hatten, verantwortlich sein, unterstellte das Gericht im Urteil zugunsten des Angeklagten. Als leiblichen Vater treffe diesen aber die „Garantenpflicht“, er müsse seinem Kind also in einer solchen Situation helfen. Unterlässt er es, ist er wie ein Täter zu verurteilen.

Mutter gerät wieder in Verdacht

Damit gerät auch die Mutter wieder in Verdacht. Denn sie träfe ja ebenfalls die Garantenpflicht, falls der Vater zugeschlagen hätte. Im Ermittlungsverfahren war sie schon einmal in Verdacht geraten, die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren aber aus Mangel an Beweisen ein. Annette Milk, Sprecherin der Behörde: „Wir werden prüfen, ob wir die Ermittlungen gegen die Mutter wieder aufnehmen werden und warten erst einmal das schriftliche Urteil in diesem Fall ab.“

Dass Mutter und Vater zur Tatzeit allein mit dem Kind im Kinderzimmer waren, hatte ein Nachbar ausgesagt, der am Tatabend gemeinsam mit dem Vater des Kindes Fußball geguckt hatte. Während des Spiels hatte das Kind geschrien. Am frühen Morgen hatten Vater und Mutter den Notarzt gerufen. In der Klinik stellten die Ärzte Einblutungen in der Hirnhaut sowie frische und alte Knochenbrüche fest. Im Prozess vor dem Landgericht hatten der angeklagte Vater und die Mutter des Kindes beide geschwiegen.

Rechtsanwalt erhebt Vorwürfe gegen Staatsanwaltschaft

Verteidiger Thorsten Dercar hatte Freispruch gefordert, weil niemand genau wisse, was zur Tatzeit geschehen sei. Dercar: „Das ging ja alles sehr schnell. Und vielleicht hat der Angeklagte ja zu ihr gesagt, sie solle aufhören.“

Rechtsanwalt Jan Czopka, der in der Nebenklage das Kind vertrat, glaubt persönlich, dass wohl der Vater der eigentliche Täter sei, der geschüttelt hätte. Er erhob Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft, die nur den Vater angeklagt hatte: „Bei dieser Beweislage hätten eigentlich beide Elternteile auf die Anklagebank gehört.“