Gelsenkirchen. . Die Ärztliche Kinderschutzambulanz der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen an der Adenauerallee 30 will zur ersten Anlaufstelle werden

Immer mehr Fälle von Kindesmisshandlungen und Kindesmissbrauch wurden in den vergangenen zwei Jahren in Gelsenkirchen verzeichnet - ab sofort gibt es für die betroffenen Kinder, ihre Eltern oder Bezugspersonen eine neue zentrale Anlaufstelle in der Stadt: Die Kinder- und Jugendklinik an der Adenauerallee 30 hat mit einer „Ärztlichen Kinderschutzambulanz“ ein Sprechstunden-Angebot eingerichtet, das den Betroffenen schnell und umfassend helfen soll.

„Zu uns kommen besorgte Eltern, in den meisten Fällen Mütter, die vermuten, dass ihr Kind misshandelt wurde. Aber auch das Jugendamt bringt uns Kinder zur Begutachtung vorbei. In einem Drittel der Fälle werden die Kinder von der Polizei, von Lehrern oder Erzieherinnen aus dem Kindergarten vorbei gebracht“, sagt Oberärztin Dr. Christiane Schmidt-Blecher, die seit Dezember 2014 die ärztliche Kinderschutzambulanz der Kinder- und Jugendklinik leitet und zuvor ähnliche Einrichtungen am Marienhospital in Ückendorf und am Evangelischen Krankenhaus in Oberhausen aufgebaut hat.

Neue regelmäßige Sprechstunde

Und immer wieder geht es um die Frage: Sind die blauen Flecken am kleinen Kinderkörper beim ganz normalen Herumtoben oder beim Stolpern entstanden – oder wurde das Kind misshandelt und geschlagen? „Ich arbeite jetzt seit fünfzehn Jahren in diesem Bereich. Deshalb kann ich oft schon auf den ersten Blick erkennen, welche Verletzungen harmlos sind und in welchen Fällen es sich um Misshandlungen handelt“, so die Kinderärztin. „Es gibt leider nur sehr wenige Einrichtungen wie diese ärztliche Kinderschutzambulanz in Nordrhein Westfalen. In der näheren Umgebung haben nur Oberhausen und die Kinderklinik in Datteln ausgewiesene Anlaufstellen dieser Art“, erzählt sie.

Natürlich habe man auch schon bisher Kinder, die misshandelt, missbraucht oder vernachlässigt wurden, in der Notfallambulanz der Kinder- und Jugendklinik in Buer betreut. „Neu ist allerdings unsere regelmäßige Sprechstunde, ein betont niederschwelliges Angebot“, erklärt Dr. Gerrit Lautner, der Ärztliche Direktor der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen. „Wir können beispielsweise auch Kontakt zu helfenden Institutionen wie Mutter-Kind-Einrichtungen oder anderen Behörden vermitteln“, betont Schmidt-Blecher – und verweist gemeinsam mit Lautner auf die ärztliche Schweigepflicht.

Deutliche mehr Missbrauchsfälle

In Ausnahmefällen werde jedoch auch Anzeige erstattet. „Aber wir sind in erster Linie Ärzte, keine polizeilichen Ermittler.“ Gleichwohl werden ihre Expertise und die entsprechenden Gutachten später in den Gerichtsverhandlungen zu Rate gezogen. Übrigens arbeitet die Anlaufstelle nicht kostendeckend. „Es gibt für die Untersuchungen in diesen Fällen keine Ziffer, über die wir diese mit den Krankenkassen abrechnen können“, sagt Dr. Christiane Schmidt-Blecher wehmütig.

Trotzdem sei es wichtig, derartige Anlaufstellen vorzuhalten. „Wir haben in den vergangenen Jahren eine deutliche Steigerung der Missbrauchsfälle verzeichnet, übrigens nicht nur in Gelsenkirchen“, sagt die Kinderärztin. „Von Würgemalen bis zum Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, bei dem etwa Mütter ihre eigenen Kinder bewusst krank machen, um Aufmerksamkeit zu erhalten, ist alles dabei“, sagt sie – und führt den Zuwachs auf das öffentliche Interesse an den Missbrauchsfällen an der Odenwaldschule und in der Katholischen Kirche zurück: „Seitdem sind die Leute stärker sensibilisiert – und es kommen Mütter, die selber als Kind missbraucht wurden und Ähnliches bei ihren Kindern vermuten. Deshalb sind die Zahlen so rasant angestiegen.“ In Gelsenkirchen rechnet man mit rund 80 kleinen Patienten pro Jahr, denen diese neue Anlaufstelle helfen kann. „Für uns steckt hinter jedem Fall ein richtiges Kinderschicksal“, betont Schmidt-Blecher. Für die Ärzte und ihre Mitarbeiter sei das kein leichter Job.

Wer die Kinderschutzambulanz an der Adenauerallee 30 nutzen möchte, braucht keine Anmeldung. Die Sprechstunde wird montags von 14 bis 16 Uhr sowie dienstags, donnerstags und freitags von 9 bis 11 Uhr angeboten. Notfälle werden natürlich rund um die Uhr versorgt.

Kontakt zur Anlaufstelle gibt es auch unter Tel. 0209- 369 400.